Flamme von Jamaika
nichts zu entschuldigen, und Jess war sich nicht im Klaren darüber, ob er den Anführer deshalb hasste und im Grunde nicht mehr bereit war, dessen gewaltsame Ideen zu unterstützen.
«Ich dachte schon, du lässt mich ewig warten», erklärte Cato mit einem spöttischen Grinsen. «Aber von Kojo weiß ich, dass die Übergabe der weißen Lady allem Anschein nach wie gewünscht verlaufen ist und du bei den Baptisten mit offenen Armen empfangen wurdest.»
«So reibungslos, wie du denkst, war es nicht», erwiderte Jess. «Ich hatte Glück, dass die Soldaten, die am Übergabeort lauerten, mich nicht erwischt haben. Wie du vielleicht bemerkt hast, musste ich mein Maultier aufgeben.»
«Das genau wie du den Weg zu uns zurückgefunden hat», fügte Cato mit einem süffisanten Lächeln hinzu. «Und wie fühlt es sich an, wenn man ein Satan im Priestergewand ist und alle glauben macht, dass man kein Wässerchen trüben könne?»
«Beschissen», erwiderte Jess ungewollt ehrlich.
Er ärgerte sich, dass Cato sich über ihn lustig machte, obwohl er es selbst gewesen war, der ihm den Befehl zu dieser Verkleidung gegeben hatte.
«Ich mag es nicht, friedliebende Christen ins offene Messer laufen zu lassen. In allen Gesprächen wurde klar, dass die meisten von ihnen wie Samuel Sharpe nur eine friedliche Revolution akzeptieren und jegliche Gewalt ablehnen.»
«Bist du jetzt etwa unter die verblendeten Füßeküsser gegangen, oder hat der falsche Rock dir deinen Verstand vernebelt?», fragte Cato argwöhnisch. «Soweit ich sehe, haben die Christen keine Probleme damit, Menschen in der Sklaverei zu halten. Das heißt, sofern sie uns Schwarze überhaupt als Menschen wahrnehmen.»
«Es gibt solche und solche», wandte Jess ein, in der Absicht, Leute wie Isaak und Knibb zu verteidigen.
Doch Cato vertrat eindeutig eine andere Meinung. Für ihn hatte der christliche Glaube nichts mit seinem eigenen Leben zu tun und auch nichts mit seiner afrikanischen Herkunft.
«Ich vertraue einzig darauf, was uns die alten Götter und unsere Ahnen sagen. Alles andere ist von Weißen gemachter Humbug, um die Welt in dunkelhäutige Teufel und blonde Engel aufzuteilen. Die Vergleiche mit dem Bösen wurden von Anfang an zu unseren Ungunsten festgelegt.»
Jess vermied es, darauf etwas zu erwidern. In gewisser Weise konnte er Cato nicht einmal widersprechen.
«Erzähl mir lieber, wie es mit denen gelaufen ist, die unsere Pläne unterstützen.»
«Ich habe den Kontakt zu allen wichtigen Mittelsmännern auf den betreffenden Plantagen hergestellt. Die Angriffspläne für die nächsten drei Monate liegen unseren jeweiligen Rädelsführern vor», erläuterte er ohne Umschweife. «Das, was wir in den vergangenen Tagen und Wochen in die Wege geleitet haben, ist auf fruchtbaren Boden gestoßen. Spätestens Weihnachten wird das ganze Land brennen. Der Weg ist frei, um die von dir gewünschte Revolution einzuläuten.»
«Gut gemacht», bestätigte Cato grinsend. «Spätestens im Frühjahr haben wir den letzten Weißen von seiner Plantage verjagt, und ich kann als neuer Präsident dieses Landes die Macht übernehmen. Wir haben dreihunderttausend Sklaven auf dieser Insel, die fünfundzwanzigtausend Weißen gegenüberstehen. Wäre doch gelacht, wenn es uns nicht gelingen sollte angesichts einer solchen Übermacht, diese elenden Menschenschinder auf immer zu verjagen.»
«Hat er irgendetwas über die weiße Schlampe gesagt?»
Baba schaute Selina fragend an, als sie zu ihr in die Hütte trat.
Sie war froh, dass Jess diese unselige Geschichte mit der weißen Frau nun endlich hinter sich gebracht hatte und dass ihm dabei nichts Böses widerfahren war. Desdemonas Zauber, von dem er – wie beabsichtigt – nichts bemerkt hatte, würde sein Übriges dazutun, damit die Sache so schnell wie möglich in Vergessenheit geriet.
«Nein», erwiderte Selina mit gesenktem Kopf. «Aber er war nicht gerade bester Laune. Er erschien mir gereizt, und seine Augen sahen traurig aus.»
«Das ist gut», erwiderte Baba und ignorierte Selinas verwundertes Gesicht. «Wir sollten Desdemona bitten, einen Liebestrank für dich zu brauen, den du Jess ins nächste Essen kippst. Dann wird er schon bald deinen Reizen erliegen.»
«Nein, Mama Baba, das möchte ich nicht!», wies Selina ihren Vorschlag brüskiert zurück. «Entweder er liebt mich aus freien Stücken, oder er lässt es bleiben. Ich will keinen Mann, der nur wegen irgendeiner Zauberkraft das Lager mit mir teilt.»
«Dummes
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