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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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auf das Lager aufpassen, kann ich überlisten. Ich habe das schon einmal gemacht, ich kann es wieder tun.»
    «Und was ist, wenn dich die Weißen erwischen? Du besitzt doch keinerlei Papiere. Jeder Sklave auf dieser Insel ist dem Gesetz nach in Spanish Town registriert und muss ein Ticket bei sich haben, das ihn ausweist.»
    «Ich besitze noch eine alte Urkunde, die ich damals nach meiner Flucht von Redfield Hall von den Maroon erhalten habe. Sie stammt von einer verstorbenen Sklavin, deren Tod sie nicht an das Sekretariat in Spanish Town gemeldet hatten. Demnach müsste ich zwar dreißig Jahre älter sein, aber was soll’s?»
    Baba grinste frech und schulterte ihr Gepäck. Dann schickte sie sich an, nach draußen zu gehen. Selina stand wie angewurzelt da und versperrte ihr unbeabsichtigt den Weg. Baba drängte sie mit einem unwirschen Murren zur Seite.
    «Aber …» Selina sah ihr ratlos hinterher.
    Baba blieb stehen, kam zurück, umarmte die junge Mulattin noch einmal fest und küsste sie auf den Mund.
    «Wenn mir je eine Tochter beschieden gewesen wäre, hätte sie so sein sollen wie du.»
    «Baba …» Selina standen die Tränen in den Augen, als sie sich von ihr löste. «Ich habe Angst, dass ich dich nie wiedersehen werde.»
    «Mach dir keine Sorgen. Die Weißen haben mich bisher nicht töten können, und es wird auch dieses Mal nicht geschehen.»

    Wie ein Hurrikan breitete sich das Sturmläuten von der Plantagenkapelle über Redfield Hall aus. Wobei es den Anschein machte, als ob der Seewind das stetige Echo der schrillen Glockentöne bis über sämtliche Ländereien trüge. Gleichzeitig stieg Lena der Geruch von süßlichem Rauch in die Nase, als sie einen Blick durch das halb geöffnete Schlafzimmerfenster erhaschte.
    Estrelle hatte sie nach dem Lunch zurück in die obere Etage gebracht, wo sie im Eheschlafzimmer wie üblich ihren Mittagschlaf halten sollte. Fehlte nur noch Edward, der ihr dabei manchmal Gesellschaft leistete, was jedoch keinerlei Entspannung versprach. Die alte Sklavin schnürte gerade Lenas Mieder auf, um ihr ein weißseidenes Nachthemd anzuziehen, als Edward völlig aufgebracht die Treppen hinaufgestürmt kam und ohne Rücksicht in ihr Zimmer stolperte.
    Estrelle hob eine Braue, wobei sie es wie üblich nicht wagte, eine Frage an ihren Master zu richten. Lena hätte gerne gewusst, was ihn zu dieser Eile trieb, brachte aber nur ein unverständliches Stammeln heraus.
    «Die Zuckerrohrfelder unterhalb des Flusses brennen auf einer Länge von achthundert Yards», erklärte Edward und kramte in hektischer Betriebsamkeit in einer Kommodenschublade. «Dazu ein paar Trockenlager. Ich muss Trevor helfen, mehrere Löschmannschaften zusammenzustellen. Die Sklaven sollen eine Transportkette vom Fluss zu den Brandherden errichten. Vater ist noch nicht aus Spanish Town zurück, deshalb …» Er sah sie nun direkt an, und sein Blick verriet eine ungewohnte Panik. «Deshalb bleibst du solange bei Estrelle und Jeremia. Ich habe einige unserer Wachleute hiergelassen und ihnen befohlen, auf das Haus achtzugeben.»
    Ohne Scham entkleidete er seinen athletischen Körper vor den Frauen bis auf die Unterhose und schlüpfte in eine Reithose aus feinem Leder. Danach streifte er sich ein schmuckloses Hemd über, das er aus einem der Schränke genommen hatte. Während er, ohne sich zu verabschieden, auf Strümpfen zurück in den Gang stürzte, wo Jeremia höchstwahrscheinlich mit den Reitstiefeln auf ihn wartete, fiel Lenas Blick auf Estrelle. Die weißhaarige Dienerin schaute sie sorgenvoll an.
    «Das hat nichts Gutes zu bedeuten, Mylady», prophezeite die betagte Negerin düster. «Machen Sie sich darauf gefasst, dass wir schon bald Gesellschaft bekommen. Es ist besser, wenn ich Sie vorsichtshalber wieder ankleide.»
    Nachdem Estrelle ihr wieder in das lavendelfarbene Musselinkleid geholfen hatte, schleppte sich Lena mühsam zum Fenster. Es war furchtbar, die Aufregung, die sie verspürte, nicht zeigen zu können. Der Rauch zog nun in dichten Schwaden vorbei Richtung Park. Er umhüllte die Kronen der Palmen und zog weiter bis hinunter zum Fluss. Die Hütten der Sklaven leerten sich, weil die Aufseher selbst Frauen und Kinder für die Löscharbeiten zusammentrieben.
    «Kommen Sie, Mylady, ich möchte Ihnen das Haar wieder hochstecken.»
    Ungläubig wandte Lena sich um. War Estrelle noch ganz bei Sinnen? Die halbe Plantage schien zu brennen – und sie dachte an ihre Frisur? Aber ihr blieb nichts anderes

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