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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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Doch Jess war allem Anschein nach davon überzeugt, was er tat. Vorsichtig setzte er die Phiole an ihre Lippen und kippte den Inhalt in ihren geöffneten Mund. Es schmeckte scheußlich. Eine Mischung aus bitter, sauer und dem Geruch einer Stinkmorchel. Lena schüttelte sich unwillkürlich, als der Nachgeschmack ihre Zunge quälte.
    «Hat Desdemona für die Wirkung zu den Ahnen gebetet?», wagte Estrelle schließlich zu fragen und schockierte Lena damit nur noch mehr.
    Offenbar glaubte nicht nur die Sklavin, sondern auch Jess an Geister und jegliches Teufelszeug. Blieb zu hoffen, dass Gott der Herr ihnen diesen Ausrutscher nicht übelnahm. Der Gedanke, lebenslänglich in diesem Zustand verharren zu müssen, brachte sie beinahe um.
    «Selbstverständlich hat sie zu den Ahnen gebetet», raunte Jess und studierte Lenas Gesicht, als ob sie ein seltenes Insekt wäre.
    «Meinst du, es zeigt schon Wirkung?», fragte Estrelle.
    «Ich will es hoffen», sagte er. «Es ist unsere einzige Chance.»
    Einzige Chance, hallte es in Lena nach.
    «Kennst du die alte Obeah-Zauberin gut?»
    Jess warf Estrelle einen Blick zu, als ob er der Frau, die dieses Zeug gebraut hatte, selbst nicht hundertprozentig vertraute. Estrelle nickte.
    «Wer kennt sie nicht? Sie ist eine mächtige Frau. Als du noch klein warst, hat sie dir die Pocken, die Schwindsucht und die Cholera vom Leib gehalten. Ein paar Mal ist es ihr sogar gelungen, Kinder von der Tollwut zu heilen oder sie ins Leben zurückzuholen, nachdem sie in einen rostigen Nagel getreten waren und schon kurz vor dem Tod standen.»
    Einen Moment lang schöpfte Lena Zuversicht, doch als das unvermittelte Gefühl zu ersticken einsetzte, geriet sie in Panik. Röchelnd versuchte sie, sich aufzurichten. Schweiß brach ihr aus. Jess wurde unruhig und legte ihr einen Arm unter den Kopf, um sie zu stützen und ihr die Atmung zu erleichtern. Auch in Estrelles Blick lauerte plötzlich Unruhe. Lena begann zu frieren, und ihr Körper zitterte, als ob sie in einen zugefrorenen Teich eingebrochen wäre. Ihre Augen verdrehten sich ohne ihr Zutun, und ein merkwürdiger Schmerz durchfuhr ihre gesamte Muskulatur. Jess hielt sie fest umklammert, während ihr Kiefer so heftig aufeinanderschlug, dass sie Angst um ihre Zunge bekam.
    «Ich … krieg … keine Luft», stöhnte sie laut und versuchte, Jess’ Umklammerung zu entkommen.
    «Lena!», keuchte er tränenerstickt und ließ sie abrupt los, als ob er sich an ihr verbrannt hätte. «Du hast deine Sprache wiedergefunden.»
    «Ja!», stieß sie erleichtert hervor.
    Sie war von Schweiß durchtränkt, und es schüttelte sie, aber erstaunt stellte sie fest, dass ihre Arme und Beine wieder ihren eigenen Befehlen gehorchten. Sie warf sich Jess derart heftig an den Hals, dass sie beinahe vom Bett fielen. Er hob erschrocken die Arme. Halb lachend, halb weinend küsste Lena ihn mit all ihrer Leidenschaft. Es war, als ob die angestaute Kraft, die über Monate in ihr gefangen gewesen war, auf einen Schlag explodierte.
    «Du hast mein Leben gerettet, weißt du das?», hauchte sie atemlos und strich ihm über sein markantes Gesicht, dessen frische Rasur ihn so anders aussehen ließ.
    Ihre Fingerspitzen ertasteten die dichten, perfekt geschwungenen Brauen, die Linie seiner hohen Wangenknochen, die gerade Nase, den vollen, geschwungenen Mund, als ob sie sich noch einmal von seiner wahrhaftigen Gegenwart überzeugen müsste.
    «Ich liebe dich», flüsterte sie heiser. «So sehr!»
    Er zog sie an sich und hielt sie fest in seinen kräftigen Armen. Dann küsste er sie, dass es ihr den Atem verschlug.
    Estrelle räusperte sich streng.
    «Ich darf Mylady daran erinnern, dass sie verheiratet ist und sich gerade mit einem Geächteten vergnügt.»
    «Estrelle, das verstehen Sie nicht», erwiderte Lena mit einem unbeugsamen Seitenblick auf die verwundert dreinschauende Sklavin. «Ab sofort gehören Jess und ich zueinander, ganz gleich, was vorher geschehen ist.»
    «Verzeihen Sie meine Widerrede, Mylady. Er ist und bleibt ein unfreier Rebell, den man – wenn man ihn in diesen Räumlichkeiten findet – auf der Stelle erhängen oder erschießen wird. Es ist äußerst gefährlich, was Sie da tun. Für Sie beide!»
    Lena sah an ihrem sorgenvollen Blick, dass es keine Missgunst war, die Estrelle trieb, sondern die pure Angst um Jess.
    «Sie hat recht.» Schweren Herzens schaute sie zu ihm auf. «Du musst verschwinden, sie werden dich töten, wenn sie dich hier

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