Flamme von Jamaika
sich eine Feuerspur aus. Während Jess dem dritten Angreifer Paroli bot, begann das Bett zu brennen, und Lena war gezwungen, aus ihrer Ecke hervorzukommen.
Inzwischen hatte ein weiterer Soldat das Zimmer erstürmt, das bereits von Rauch erfüllt war. Aus einem Augenwinkel heraus sah Jess, wie der rüde Kerl sich Lena schnappte, als ob sie ein entlaufenes Kaninchen wäre. Obwohl sie sich wie ein Berserker wehrte, war der blonde Sergeant zu groß und zu stark, als dass sie etwas gegen ihn hätte ausrichten können. Jess wollte gerade auf ihn losgehen, als ihm sein Gegenüber in einem Moment der Unachtsamkeit mit dem Säbel einen Schmiss an der Rippe verpasste. Das Blut lief ihm die Hüften hinab. Lena ergab sich mit einem Aufschrei, als sie sah, dass Jess verletzt war. Inzwischen loderte das Feuer bis zu den Deckenbalken hinauf. Jess musste einsehen, dass er einer solchen Übermacht nicht gewachsen war. Sie würden alle verbrennen, wenn er nicht kapitulierte.
Also wich er zurück und hob beide Hände zum Zeichen des Rückzugs. Sein Gegner setzte ihm dennoch nach und war offensichtlich nicht bereit, ihn unversehrt davonkommen zu lassen. Da erdröhnte eine Stimme durch den beißenden Nebel.
«Zurück, Soldat, wir brauchen ihn lebend!»
Der Mann blieb wie angewurzelt stehen, den Säbel immer noch drohend erhoben.
«Waffen fallen lassen, sofort!», befahl die Stimme erneut.
Jess warf seinen Säbel auf den Fußboden und sah gerade noch, wie man Lena zum Ausgang zerrte. Verzweifelt versuchte sie, ihr Laken festzuhalten, um ihre Blöße vor den geifernden Soldaten zu verbergen.
Aus dem Qualm schälte sich eine dunkelblau uniformierte Gestalt von mittlerer Größe. Ein blasser Mann mit dunklem, fettigem Haar und goldenen Epauletten auf den Schultern. Entgegen seinem unscheinbaren Äußeren setzte er eine erhabene Miene auf, die keinen Zweifel darüber aufkommen ließ, dass er als Commodore der Royal Navy hier das Kommando trug.
«Alle Mann raus hier!», brüllte er überraschend laut. «Damit die Löscharbeiten beginnen können!»
Auf dem Weg nach unten kam ihnen der Wirt fluchend entgegen und setzte damit eine Löschkette mit Wassereimern in Gang, die vermutlich nicht mehr viel nützen würde.
Jess wurde nach draußen gestoßen und auf die Straße geführt, wo die gesamte Kolonne mit ihm haltmachte. Hinter ihnen knisterte es immer noch auffällig laut. Der Qualm erfüllte inzwischen den gesamten Straßenzug. Panik brach aus, weil man befürchtete, dass die Flammen, die nun aus dem gesamten Dachstuhl hervorloderten, auf benachbarte Gebäude übergreifen konnten. Vom Hafen her war das schrille Läuten eines von Pferden gezogenen Löschwagens zu hören.
«Dr. Bolton», stellte sich der Offizier näselnd vor, als ob ihn der Brand nicht weiter interessierte. «Advokat der britischen Marine. Und mit wem haben wir hier das Vergnügen?»
Jess erwiderte nichts. Aus einem Augenwinkel heraus hatte er gesehen, dass seine Kleidung vermutlich längst ein Opfer der Flammen geworden war und damit sämtliche gefälschten Dokumente und Lenas Schmuck verbrannten. Aber darauf konnte er unmöglich aufmerksam machen. Er würde diesem Kerl nicht sagen, wer er in Wirklichkeit war. Damit würde er nicht nur sich selbst in höchste Gefahr bringen, sondern auch Lena. Es gab nur eine Chance, sie zu retten: Niemand durfte erfahren, dass sie ihm freiwillig gefolgt war.
«Deinen Namen will ich wissen!», schnarrte Bolton voller Ungeduld.
Doch Jess blieb stumm.
«Ergreift ihn!», befahl der Offizier seinen Soldaten mit beleidigter Miene. «Und legt ihn unverzüglich in Ketten.»
Jess überlegte krampfhaft, ob und wie er die Männer überwältigen und fliehen konnte. Doch als sie ihn in der gleißenden Morgensonne um die nächste Straßenecke führten, sah er sich mit einer Übermacht von zwanzig berittenen Soldaten konfrontiert, die auf einem Zufahrtsweg zum Hafen auf ihre Befehle warteten. Die Reiter trugen die grünen Uniformen der Scharfschützen und waren großzügig mit Gewehren und Pistolen behängt. Er würde keine zwanzig Yards weit kommen, ohne getroffen zu werden. Auf der anderen Straßenseite entdeckte er Lena, die sich mit panischem Blick zu ihm umwandte. Als sie erkannte, dass er bis auf den Schmiss an den Rippen unverletzt war, ließ sie sich wie eine willenlose Marionette von zwei Soldaten zu einer geschlossenen Kutsche abführen.
Gut so, dachte Jess. Wenn er schon sterben musste, dann wollte er es wenigstens nicht vor ihren
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