Flamme von Jamaika
auf, sie ohne Rücksicht zu nehmen, wobei er sie in ungeahnte Höhen katapultierte.
«Jess», flüsterte sie, während ihre schweißnassen Körper in köstlicher Erschöpfung aneinanderklebten. «Ich kann ohne dich nicht mehr leben, ich schwöre es dir, keinen einzigen Tag. Hörst du?»
«Sag so was nicht», erwiderte er leise und stemmte sich auf seine Ellbogen, seine Augen glitzerten verdächtig. «Du machst mir wirklich Angst.»
Jess hatte nicht gelogen. Angst war genau das richtige Wort, obwohl er sich ansonsten wenig ängstigte. Für alles gab es irgendwie eine Lösung, und er war von Haus aus eine Kämpfernatur. Aber für die anstehenden Probleme gab es keine befriedigende Lösung.
In Wahrheit dachte er gar nicht daran, Lena nach Europa zu begleiten. Sie um ihrer selbst willen belügen zu müssen, brach ihm das Herz. Es war genau so, wie Lena es vermutet hatte. Er wollte und konnte seine Leute nicht im Stich lassen, solange er nicht wusste, ob Catos Plan, dreihunderttausend Sklaven für den Widerstand zu begeistern, aufgegangen war. Niemand wusste, was danach kam. Ob das Land in einem blutigen Bürgerkrieg versinken würde, ob die Engländer weitere Truppen schickten. Ob die ganze Geschichte in einem Desaster endete und ihm nichts weiter übrig blieb, als mit den Menschen, für die er sich verantwortlich fühlte, übers Meer zu fliehen.
Doch bis es so weit kam, galt sein erster Gedanke Lena. Er musste sie in Sicherheit bringen, erst recht, wo sie nun schwanger war. Selbst wenn es ihm noch so schwerfiel, sie nie wiederzusehen. Dass sie nicht ohne ihn gehen würde, hatte sie klar und deutlich gesagt. Deshalb blieb ihm nichts anderes übrig, als ihr gegenüber den Eindruck zu erwecken, dass er mit ihr gehen würde. Selbst wenn es eine eigentlich nicht zu verzeihende Lüge war.
Er tröstete sich damit, dass es mehrere Gründe gab, die sein Verhalten entschuldigten. Neben den bereits bekannten vermochte er sich kaum vorzustellen, dass ihr Vater ihn als zukünftigen Schwiegersohn akzeptierte. Der Mann war ein Weißer, und er war reich. Somit würde seine Einstellung gegenüber Negern und deren Nachkommen keinen Unterschied zu den Blakes aufweisen, auch wenn Lena stets seine Güte betonte. Jess war sicher, dass seine Toleranz bei der Hautfarbe von Lenas potenziellem Ehemann ihre Grenzen fand. Hinzu kam, dass sie von Edward Blake erst noch rechtskräftig geschieden werden musste, bevor sie sich offiziell einem neuen Mann zuwenden konnte. Wenn sie dann noch ein Kind gebar, dessen Vaterschaft ungeklärt war, wäre der Skandal perfekt. Sie würde gezwungen sein, sich komplett aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Das einzig Gute an der Sache war, dass Edwards Macht oder die seines Vaters nicht bis nach Deutschland reichen würde.
Blieb die Frage, wie er Lena austricksen konnte, damit sie keinen Verdacht schöpfte. Er würde ihr einen Brief hinterlassen und nach dem Auslaufen unbemerkt von Bord springen. Eine Überlegung, die ihn umso mehr quälte, da sie sich nun eng an ihn schmiegte.
«Jess?», flüsterte sie atemlos.
«Hm …»
Halbwegs zufrieden über seine Entschlossenheit, nahm er sie noch fester in seine Arme. Wenn er sie schon so bald ihrem Schicksal überlassen musste, wollte er wenigstens die letzten Augenblicke mit ihr genießen. Die Erinnerung daran würde er in sein Gedächtnis einschließen und sie, wenn es sein musste, mit in den Tod nehmen.
«Hast du eine Ahnung, was mit Maggie geschehen ist?» Die Frage kam unvermittelt. «Du weißt doch, sie war meine Gesellschafterin. Angeblich ist sie spurlos verschwunden, und Edward hat gegenüber Estrelle behauptet, der Leibdiener seiner Tante würde zu den Rebellen gehören und hätte Maggie umgebracht. Außerdem soll er etwas mit unserer Entführung zu tun gehabt haben. Bitte, Jess, sag mir, dass das nicht wahr ist.»
«Natürlich ist das nicht wahr», knurrte er. «Ich hab gehört, dass sie diesen armen Teufel verdächtigen, der auf Rosenhall gearbeitet hat. Wie hieß er noch gleich?»
«Candy Jones.» Lena hob den Kopf und sah ihn mit ängstlichem Blick an. Offenbar befürchtete sie, dass er seine Mitgliedschaft bei den Rebellen bestätigte.
«Kanntest du ihn?»
«Nein», erwiderte Jess. «Noch nicht mal vom Sehen. Geschweige denn, dass er was mit uns zu tun gehabt hätte.» Ihre Zweifel stimmten ihn ein wenig traurig. «Du kannst mir vertrauen», erklärte er fest. «Deine Entführung war ein spontaner Entschluss meinerseits, den ich
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