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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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besaß.
    «Wo ist er?», fragte sie tonlos.
    «Wer? Jess?» Estrelle sah sie fragend an.
    «Nicht Jess», erwiderte Baba überraschend ruhig. «William.»
    «Baba, was hast du vor?»
    Estrelles Stimme war nur noch ein heiseres Krächzen.
    «Ihn töten, was sonst? Also, wo ist er?»
    «In … seinem Schlafzimmer», gab Estrelle flüsternd zurück. «Aber das kannst du nicht tun. Was ist, wenn er dich bemerkt? Er ist ein kampferfahrener Mann, und du bist nur eine alte, schwache Frau.»
    «Das lass meine Sorge sein», erwiderte Baba und war schon auf den Füßen.
    Sie fasste in ihre Tasche und holte ihre Perkussionspistole daraus hervor. Es war eine moderne Waffe, die ein drehbares Magazin besaß, bei dem man kein loses Pulver mehr verwendete, sondern ein Zündhütchen einlegte. José hatte ihr das Schießen mit einer solchen Waffe genauestens erklärt. Jetzt war sie geladen und die Mündung mit einem Schusspflaster versehen. Fehlte nur noch das Zündhütchen. Aber davon hatte Baba genug in der Tasche, um eine halbe Armee auszulöschen. Das abgepackte Schwarzpulver darin war der Grund gewesen, warum sie diesmal nicht durch den Fluss geschwommen war, sondern sich über die Brücke gewagt hatte.
    Estrelle sah sie mit ängstlichen Augen an.
    «Du willst ihn erschießen? Du bist dir doch klar, dass du nur einen Versuch hast, bevor er selbst zu einer Pistole greift, oder? Was ist, wenn dein Schuss danebengeht?»
    Seelenruhig holte Baba ein langes Messer aus der Tasche.
    «Dann werde ich ihn abstechen wie ein Schwein, das zur Schlachtbank geführt wird.»
    Estrelle hielt den Atem an.
    «Wird er bewacht?», fragte Baba, während sie sich Pistole und Messer in den Hosenbund steckte.
    «Jeremia ist oben», erklärte Estrelle mit zitternder Stimme. «Er schläft im Dienstbotenzimmer.»
    «Geh zu ihm und lenk ihn ab», befahl Baba im Befehlston eines britischen Offiziers. «Ich kann ihn dort oben wirklich nicht gebrauchen.»
    «O mein Gott, o mein Gott», stammelte Estrelle und folgte Baba willenlos zum Treppenaufgang.
    Gemeinsam schlichen die beiden Frauen zum ersten Stock, wo Lord William eine geräumige Suite bewohnte. Unwillkürlich kamen Baba Fetzen der Erinnerung hoch, als sie vor knapp zwanzig Jahren mit einer Machete in der Hand um die Rückgabe ihres Kindes gebettelt hatte. Diesmal würde sie nicht betteln, sondern handeln.
    «Hält William noch immer eine Pistole unter seinem Kopfkissen verborgen?», fragte sie Estrelle.
    Die Dienerin sah sie nur erschrocken an, ganz und gar unfähig zu antworten. Sie nickte betroffen. Es war anzunehmen, dass William diese Angewohnheit nicht abgelegt hatte.
    Ich muss also verdammt schnell sein, dachte Baba. Jedenfalls schneller als er.
    Lautlos schlichen sie im ersten Stock über die weichen Teppiche. Und während Estrelle nach links zu Jeremias Zimmer abbog, wandte sich Baba nach rechts. Sie warf ihrer alten Freundin einen letzten, verschwörerischen Blick zu, dann nickte sie und drehte sich zur Tür. Leise zog sie die Pistole hervor und setzte eins von den Zündhütchen ein. Anschließend enterte sie auf Zehenspitzen Lord Williams düsteres Reich. Der schwache Lichtschein einer Petroleumlampe schimmerte ihr entgegen, als sie die Tür einen Spaltbreit öffnete und die Lage sondierte. William hatte auf seinem Nachttisch stets ein Licht brennen, auch das wusste sie noch aus vergangenen Zeiten. So wie es aussah, schnarchte er selig vor sich hin.
    Dass sie noch nicht einmal zitterte, hatte sie wohl ihrer wilden Entschlossenheit zu verdanken. Diesmal würde sie endlich tun, was sie eigentlich schon vor langer Zeit hätte erledigen sollen.
    Nachdem Baba geräuschlos ins Zimmer geschlüpft war und ebenso geräuschlos die Türe hinter sich geschlossen hatte, blähte ein Windstoß die Gardinen auf. William hatte allem Anschein nach einen leichten Schlaf, denn sein Kopf ruckte erschrocken in die Höhe. Als sein geweiteter Blick auf Baba fiel, nutzte sie den Schreckmoment und zielte ihm direkt auf die Stirn. Trotz seiner offensichtlichen Verblüffung war William ebenso schnell. Er zog seine geladene Waffe unter dem Kopfkissen hervor und drückte ab.
    Der Schuss verfehlte Baba nur knapp. Sie schoss zurück und traf wie beabsichtigt seinen Schädel. Aber es war nur ein Streifschuss. Blutüberströmt wankte er aus dem Bett und marschierte auf sie zu. Offenbar hatte er vor, sie zu erwürgen oder an seinen Säbel zu gelangen, der hinter ihr an der Garderobe hing.
    Geistesgegenwärtig zog Baba das

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