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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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Abwesenheit Ihres Ehemannes zur Sonntagspredigt in die Sklavenunterkünfte oder ins Hospital mitgenommen, wo die Wanderpriester den Kranken manchmal Mut zusprechen. Dabei haben Sie und Jess sich kennengelernt. Ich nehme den Zorn unseres jungen Masters gerne auf mich, wenn ich Jess damit helfen kann.»
    «Was Edward denkt, spielt ohnehin keine Rolle mehr», erklärte Lena verbittert. «Abgesehen davon, dass auch er inzwischen weiß, wer Jess in Wahrheit ist, wird er außer sich sein, wenn er erfährt, dass sein Vater getötet wurde. Deshalb darf er keinesfalls erfahren, wo ich mich aufhalte. Sie und Jeremia müssen sich höllisch vor ihm in Acht nehmen. Er steht seinem Vater an Gefährlichkeit in nichts nach. Nach allem, was ich inzwischen über ihn und auch Trevor in Erfahrung bringen konnte, dürfen wir getrost davon ausgehen, dass er sogar Maggie auf dem Gewissen hat.»
    «Da kann ich ihr nur beipflichten», bestätigte Baba mit einer finsteren Miene.
    Lena strich unterdessen ihre Röcke glatt und warf einen letzten Blick in den Spiegel, dann gab sie Baba einen Wink.
    «Komm, wir haben genug geredet, lass uns nach unten gehen.»
    Noch einmal schaute sie sich suchend um, in dem sicheren Gefühl, etwas vergessen zu haben.
    «An deiner Stelle würde ich etwas Geld einstecken, damit wir notfalls diese verdammten Bürokraten bestechen können», half ihr Baba auf die Sprünge.
    «Ja, das war’s, was mir fehlte. Und meine Papiere, falls ich mich bei Gericht oder wo auch immer legitimieren muss.»
    Während Lena in Edwards Arbeitszimmer ihre Unterlagen aufspürte und sich an der Haushaltskasse zu schaffen machte, welche die stolze Summe von einhundert Sovereign enthielt, packte Estrelle einen Proviantkorb für Jess, den sie mit bestem Wein, frischem Brot und kaltem Braten füllte. Dazu eine Flasche Branntwein und Weidenrindentinktur gegen Schmerzen und sauberes Verbandmaterial, um größere Verletzungen versorgen zu können. Erfahrungsgemäß kamen Häftlingen selten ohne Blessuren davon.

    Lena befahl dem verschlafenen Stallburschen, der eigentlich hätte Nachtwache schieben sollen, eine Kutsche anzuspannen. Sie war erleichtert, dass es nicht Tom war, der diese Aufgabe erledigte. Der Junge hatte schon genug mitgemacht. Wo er nach dem Eklat in Port Maria wohl abgeblieben war? Überhaupt schienen die Lagerhallen und Stallungen rund um das Herrenhaus wie leergefegt. Trevor und seine Schergen waren Edward gefolgt, wie Baba bestätigte. Vielleicht lag es aber auch an der nachtschlafenden Zeit. Vom Verwaltungspersonal war morgens um vier noch niemand zu sehen.
    «Und wer von uns soll die Kutsche lenken?», fragte einer der jungen Sklaven, der kaum älter sein mochte als Tom.
    «Ich werde das übernehmen, du Grünschnabel», herrschte Baba ihn an, woraufhin der Junge ihr ohne ein Widerwort die Zügel des eleganten Zweispänners übergab.
    Lena setzte sich ohne weitere Erklärung neben Baba auf den Kutschbock, obwohl ihr Platz eigentlich hinten im Wagen zu suchen gewesen wäre. Doch sie fühlte sich mit Baba auf eine eigentümliche Weise solidarisch. Sie waren nun gewissermaßen Verbündete, auch wenn sie aus völlig unterschiedlichen Welten stammten.
    Der Morgen dämmerte, und im Osten kündigte sich die aufgehende Sonne mit den ersten roten Schlieren am Horizont an, als sie auf die Straße nach Kingston einbogen.
    «Was war das für ein Gefühl, Lord William zu töten?», fragte Lena aus einem plötzlichen Impuls heraus.
    «Hat Jess dir erzählt, was er uns genau angetan hat?», wollte Baba wissen, ohne ihre Frage zu beantworten.
    «Ja, das hat er. In aller Ausführlichkeit», bestätigte Lena und hielt sich krampfhaft am Kutschbock fest, während Baba die beiden Fuchswallache zu Höchstleistungen antrieb.
    «William war ein räudiger Hund», bekannte sie bitter. «Wobei, nein – er war ein wahrhaftiger Teufel. Noch als er vor meinen Augen starb, hat er bereut, mich damals nicht selbst getötet zu haben.»
    Lena sah die Tränen in Babas Augen schimmern und vergaß darüber beinahe, was die Frau ihr angetan hatte. In einem Anflug von aufrichtigem Mitleid legte sie Jess’ Mutter ungefragt einen Arm um die Schulter und zog sie an sich. Dass Baba es zuließ, wertete sie als untrügliches Zeichen einer längst fälligen Annäherung.
    «Die Weißen haben unserer Familie über Generationen hinweg viel Leid zugefügt. Aber das, was William getan hat, setzt dem Ganzen die Krone auf.»
    Sie konzentrierte sich darauf, den Wagen in der

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