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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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klassizistisches Bauwerk aus rotem Backstein, das erst vor wenigen Jahren neu errichtet worden war. Mit seinem monströsen Kuppeldach über dem Haupteingang entsprach es dem aktuellen Zeitgeist. Doch was nützte die ganze neumodische Architektur, wenn hinter den Mauern das gleiche unsägliche Leid seinen Lauf nahm wie in den archaischen Folterkammern des Mittelalters.
    Lena straffte sich, als Baba die Kutsche an einem Seiteneingang zum Stehen brachte. Für einen Moment überlegte sie, ob es klug wäre, sich zunächst der Frau des Gouverneurs anzuvertrauen, doch dann nahm sie Abstand davon. Sicher würde Lady Juliana lästige Fragen stellen, zum Beispiel warum Lena sich so sehr für einen Mann einsetzte, der nicht mal ein Weißer war. Diese Trumpfkarte würde sie erst ziehen, wenn sonst nichts mehr half.
    Mutig raffte sie ihren Rock und marschierte mit energischem Schritt in Richtung Gefängnisportal. Ein Soldat in der grünen Uniform eines Scharfschützen stand mit geschultertem Gewehr an seinem angestammten Platz und schaute stur geradeaus. Ein zweiter, in einer roten Uniformjacke, jung, blond, mit kurz geschnittenen Locken, kam mit rot verschwitztem Gesicht aus dem Wachhäuschen heraus.
    «Sie wünschen, Mylady?»
    «Ich möchte einen Gefangenen besuchen», erwiderte sie so kühl wie möglich, während sie Babas bohrenden Blick in ihrem Rücken spürte.
    «Haben Sie eine Erlaubnis?», fragte der Soldat, ohne eine Regung zu zeigen.
    «Erlaubnis?»
    Lena gab sich unwissend. Natürlich konnte auch sie sich denken, dass nicht jedem, dem es einfiel, so mir nichts dir nichts ein Regierungsgefängnis zu betreten, auch Einlass gewährte wurde. Aber wo und vor allem wann hätte sie diesen Besuch anmelden sollen?
    «Ich denke, das wird kein Problem sein», entgegnete sie entschlossen. «Mein Schwiegervater, Lord William Blake, und mein Ehemann, Sir Edward Blake, sind eng mit dem Gouverneur befreundet. Lady Juliana ist ebenfalls eine persönliche Freundin von mir», erklärte sie mit ausreichend Selbstverständnis in der Stimme.
    «Zu wem wollen Sie denn?», fragte der Soldat, offenbar von ihrer Vorstellung beeindruckt.
    Lena schwieg verunsichert. Herr im Himmel, was nun? Sie war überzeugt davon, dass Jess seinen richtigen Namen aus Gründen der Geheimhaltung absichtlich verschwiegen hatte. Wie hatte Tom ihn noch gleich genannt?
    «M… Mister Moses», stotterte sie.
    Lena verspürte Erleichterung, dass ihr der Name in letzter Sekunde wieder eingefallen war.
    «Er ist ein Baptistenprediger und wurde gestern versehentlich in Port Maria in Ketten gelegt.»
    «Können Sie sich ausweisen?» Der Mann sah sie zweifelnd an.
    «Ja, einen Augenblick bitte.»
    Hastig kramte sie in ihrer Tasche und zog ihre Herkunftsdokumente hervor. Der Mann überflog die Papiere.
    «Einen Moment bitte», sagte er und verschwand mit ihren Dokumenten in einem langen Gang, der augenscheinlich zu den Gefängniszellen führte.
    Lena blieb mit einem mulmigen Gefühl zurück und drehte sich unsicher zur Kutsche um. Baba gab ihr ungeduldige Zeichen. Lena zuckte nur mit den Schultern. Als der Mann nach einer Weile zurückkehrte und ihr die Papiere überreichte, war seine Miene noch ein bisschen düsterer als zuvor.
    «Was ist denn nun?», fragte sie ungeduldig. «Kann ich zu ihm?»
    Der Soldat räusperte sich und begegnete ihr mit einem nervösen Blick.
    «Tut mir leid», murmelte er kaum verständlich. «Der Gefangene ist im Moment nicht ansprechbar.»
    «Nicht ansprechbar?», fragte Lena alarmiert. «Was soll das bedeuten?»
    Der Mann kniff die Lippen zusammen.
    «Um seine Gesundheit ist es nicht gut bestellt. Aber das dürfte ich Ihnen eigentlich gar nicht sagen.»
    Lena fasste einen Entschluss. Abermals kramte sie in ihrer Tasche und förderte einen Gold-Sovereign zutage.
    «Würde das helfen, Ihre Entscheidung für einen Besuch trotzdem zu meinen Gunsten ausfallen zu lassen?»
    Der Soldat atmete tief durch, den Blick gierig auf den Sovereign in ihrer Hand gerichtet. Verstohlen sah er sich um.
    «Gut möglich, Mylady.»
    Er zog den Rotz in seiner Nase hoch, verzichtete aber darauf, vor ihr auszuspucken.
    «Worauf warten Sie dann?», zischte sie und streckte ihm das Goldstück entgegen.
    Hastig nahm er die Münze an sich und prüfte ihre Echtheit, indem er mit erstaunlich weißen Zähnen hineinbiss.
    «Gut, kommen Sie», sagte er schließlich und schob sie mit einer fahrigen Geste in den Gang hinein.
    «Moment», sagte Lena und blieb stehen. «Ich möchte

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