Flamme von Jamaika
Priester mein Leben verteidigt. Er hat in Notwehr gehandelt. Schließlich wurden wir im Schlaf überrascht und angegriffen.»
«Und genau deshalb habe ich meine Zweifel an der Geschichte», schmetterte ihr Bolton entgegen. «Er hat ziemlich professionell reagiert für einen Priester, der jegliche Gewalt verabscheut. Nein», Bolton schüttelte abermals den Kopf, «er wird hängen. Wegen Aufwiegelei und Mordes an einem Soldaten der britischen Krone. Der Richter hat im Schnellverfahren entschieden. Heute in einer Woche findet die Vollstreckung des Urteils statt. In Montego Bay. Wenn Sie wollen, können Sie hinfahren und es sich ansehen.»
«Hängen?», krächzte Lena völlig außer sich. «In Montego Bay?»
«Warum das denn?» Lady Juliana warf dem Commodore einen entgeisterten Blick zu.
«Um den dort wütenden Rebellen zu signalisieren, dass wir uns nicht alles gefallen lassen.»
«Aha, daher weht der Wind», sprang Lady Juliana ihr bei. «Der Mann wird gar nicht hingerichtet, weil bewiesen ist, dass er zu den Rebellen gehört, sondern weil Sie ein Exempel statuieren wollen. Sehr interessant. Weiß mein Mann davon? Ich glaube nicht, dass es ihm gefällt, wenn Sie die Sklaven dieser Insel durch eine unrechtmäßige Verurteilung noch wütender machen.»
«Es tut mir leid», wiederholte Bolton mit reichlich wenig Empathie in der Stimme. «Das Land ist zurzeit im Ausnahmezustand, und die Gerichte entscheiden mit Wissen und Wollen Ihres Gemahls. Sie werden sich damit abfinden müssen, dass das Urteil gefällt worden ist.»
«Und was ist mit einer Kaution?», fügte Lady Juliana hinzu. «Jeder Häftling kann auf Kaution freigelassen werden, wenn er Widerspruch gegen das Urteil einlegt.»
Bolton zögerte einen Moment, was vermuten ließ, dass die Frau des Gouverneurs mit ihrer Argumentation ins Schwarze getroffen hatte.
«Wie viel?», rief Lena hoffnungsvoll und dachte an ihren Schmuck, den sie sogleich für die Freilassung von Jess in einer Bank oder einem Pfandhaus versetzen würde.
«Ich glaube kaum, dass Sie in der Lage sind, ohne Unterstützung Ihres Gatten 10000 britische Pfund aufzubringen. Hinzu kommt, dass Sie einen Advokaten beauftragen müssten, um hinlängliche Beweise zu definieren, die gegen eine Vollstreckung des Urteils sprechen.»
« 10000 Pfund …?»
Lena glaubte, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Das war weitaus mehr als ihr Schmuck und alles, was sie an Bargeld besaß. Und an ihre Mitgift, die ungefähr dem Doppelten dieser Summe entsprach, würde sie ohne Edwards Zustimmung nicht rankommen. Hinzu kam, dass sie zunächst einen ebenso kostspieligen Advokaten finden musste, der genug Sachverstand besaß, um den Fall übernehmen zu können.
«Bedeutet das, wenn ich Ihre Bedingungen nicht binnen sieben Tagen erfülle, ist der Mann für immer verloren?», flüsterte sie mutlos.
«Genau das bedeutet es», bestätigte Bolton mit einem kalten Lächeln.
Lena fühlte sich wie betäubt, als sie sich von Lady Juliana vor dem Parlamentsgebäude verabschiedete.
«Was werden Sie nun tun?», fragte die Gouverneursgattin besorgt.
«Ich werde versuchen, das notwendige Geld aufzutreiben und einen Advokaten zu finden, der mir hilft, dieses Unrecht zu verhindern.»
«Wissen Sie bereits, an wen Sie sich wenden können?»
«Nein.» Lena schüttelte den Kopf, wobei sie sich wunderte, dass Lady Juliana aller Verwirrung zum Trotz noch immer auf ihrer Seite stand und ihr keinerlei kompromittierende Fragen stellte.
«Ich könnte Ihnen eine Liste von jenen Advokaten zukommen lassen, die nicht für das Parlament arbeiten. Dieser Umstand sichert Ihnen eine gewisse Neutralität.»
«Das ist sehr freundlich von Ihnen.» Lena lächelte die Gouverneursgattin dankbar an. «Aber ohne die erforderliche Kaution nützt mir auch der beste Advokat nichts. Das heißt, ich muss zunächst einmal zur Bank, und dann sehen wir weiter.»
Kapitel 32
Ende Dezember 1831 // Jamaika // Tödliches Spiel
Z wei Tage waren vergangen, seit Edward den Posten als Anführer der zivilen Polizeimiliz von St. Ann, St. Mary und St. Thomas-in-the-Vale in Anwesenheit des Gouverneurs verliehen bekommen hatte. Im Gegensatz zu den neu eingetroffenen Militärregimentern aus England, Wales und Irland, die sich zunächst einmal mit den örtlichen Gegebenheiten auf der Insel vertraut machen mussten, konnten die mit Einheimischen bestückten Polizeieinheiten schnell und effizient dort eingreifen, wo es im wahrsten Sinne des Wortes
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