Flamme von Jamaika
sein.
«Aber kannst du überhaupt zur Plantage zurückkehren?», wandte Baba ein und drehte sich ächzend im Bett herum. «Edward könnte nach allem, was vorgefallen ist, ein ernsthaftes Interesse haben, dich verschwinden zu lassen. Jetzt, wo sein Vater tot ist, kann er die Plantage verkaufen und nach Europa zurückgehen. Wozu braucht er dich dann noch?»
Lena schüttelte den Kopf. «Aus einer Unterhaltung mit Edwards Tante weiß ich, dass Edward nur dann ein Anrecht auf die Plantage und das Vermögen seines Vaters hat, wenn er mindestens die Hälfte des Jahres auf der Insel verbringt. Von ihr habe ich auch noch ein anderes pikantes Detail erfahren. Falls er binnen drei Jahren nach dem Tod seines Vaters keinen rechtmäßigen Erben vorweisen kann, fällt der gesamte Besitz an den europäischen Club, der sich unter anderem für die Rechte der weißen Pflanzer in den Kolonien einsetzt. Das heißt, er benötigt mich sehr wohl, wenn er sein Erbe sichern will.»
Lena streichelte sich gedankenverloren über den Bauch. Baba, der diese Geste selbst in der Dämmerung nicht entgangen war, hob aufmerksam ihr Kinn.
«Heißt das etwa, du bist schwanger?», fragte sie verblüfft.
«Wusstest du das nicht?»
«Woher sollte ich?»
Plötzliche Stille.
«Könnte es zufällig sein, dass das Kind in Wahrheit von Jess ist?»
Die Frage war ziemlich direkt, und Lena wusste nicht, was sie darauf antworten sollte.
«Gut möglich», sagte sie nur und hörte wie Baba einen lang gezogenen Seufzer von sich gab.
«Also werde ich Großmutter?»
«Vielleicht.»
Kaum dass sie am nächsten Morgen aus der Stadt heraus waren, kam Lena eine Idee.
«Wieso reitest du nicht in die Berge und bittest Cato schon jetzt um seine Hilfe? Ich meine, er kann doch nicht zulassen, dass Jess getötet wird. Vielleicht könnten die Rebellen das Gefängnis stürmen und ihn dort herausholen.»
«Ach Schätzchen!» Baba lachte verbittert. «Du stellst dir immer alles so einfach vor. Cato ist ein Großmaul, nichts weiter. Seine Rebellen haben zurzeit genug damit zu tun, Polizei und Militär im Westen des Landes in Atem zu halten. Und was Jess betrifft, so glaube ich nicht, dass er noch weiter an ihm interessiert ist. In seinen Augen war Jess ohnehin nur ein lästiger Konkurrent, der ihm das zukünftige Amt eines Diktators streitig machen könnte. Was natürlich völliger Blödsinn ist. Aber Cato hat Jess lediglich für seine Zwecke benutzt. Er war ihm gut genug, um seine Krieger auszubilden, Militärtrecks zu überfallen, Waffenlager anzulegen und als Pastor verkleidet durch die Lande zu ziehen, um potenzielle Anhänger zu rekrutieren und sie heimlich mit Informationen zu versorgen. Aber die Zeit nach der Rebellion hat Cato ohne seine Krieger geplant. Er wird sich den Kuchen zwar mit den Maroon-Häuptlingen teilen müssen, aber Leute wie Jess sind für ihn dann nicht mehr interessant.»
Dass Baba genauso hilflos war wie sie selbst, schockierte Lena. Hatte sie doch ihre allerletzte Hoffnung auf die Rebellen gesetzt.
«Nur ein totaler Umsturz könnte uns noch helfen», sinnierte Baba. «Aber die Geschichte hat uns gelehrt, dass eine Revolution selten nach einer Woche beendet ist.»
Als sie am späten Nachmittag nach Redfield Hall zurückkehrten, machten sie einen Umweg über die alten Fischerhütten. Baba wollte dort auf Lena warten, weil sie nicht am helllichten Tage auf der Plantage gesehen werden sollte. Womöglich würde sie einer der früheren Aufseher erkennen.
Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengrube lenkte Lena die Kutsche alleine zurück zu den Stallungen. Sie hatte keinerlei Ahnung, was inzwischen mit der Leiche von Lord William geschehen war, aber sie sah, dass mehrere Kutschen auf dem Hof standen, die definitiv nicht nach Redfield gehörten. Außerdem bevölkerten neben den üblichen Angestellten einige fremde Gesichter die Umgebung und warfen ihr neugierige Blicke zu.
Edward wusste anscheinend schon über den Tod seines Vaters Bescheid. Sein Hengst stand in den Boxen neben dem Pferd von Trevor.
Anstatt sofort ins Haus zu gehen, machte sich Lena zunächst selbst an das Abschirren der Pferde. Sie wollte ein wenig Zeit gewinnen, um sich auf die bevorstehende Auseinandersetzung mit Edward gedanklich vorzubereiten. Wie würde er wohl auf den Tod seines Vaters reagieren? Und was würde er unternehmen, um die Todesursache aufzuklären?
Plötzlich stand Tom im Stall und starrte sie an, als ob er einen Geist gesehen hätte.
«M… M… Missus»,
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