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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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schicken lassen. Ich denke, Mitte der Woche müsste die Anklageschrift vorliegen, dann können wir gemeinsam überlegen, wie wir weiter vorgehen wollen.»
    Der Ohnmacht nahe, überlegte Lena, was geschehen würde, wenn Castlewood die gesamte Vorgeschichte erfuhr. Viel zu verlieren hatte sie nicht, denn bei einer Verhandlung würde der Advokat des Teufels, wie sie Bolton still für sich bezeichnete, dafür sorgen, dass alles ans Licht kam. Die Vorstellung, dass er dem Gericht und damit Dr. Castlewood sämtliche schmutzigen Details ihres Auffindens in Port Maria servierte, ließ sie erschaudern. Abgesehen davon, wäre Jess bis dahin längst gehängt worden, und Bolton könnte sie mühelos als Befürworterin eines zum Tode verurteilten Rebellen entlarven.
    «Ich danke Ihnen, Dr. Castlewood. Aber im Moment gibt es nichts für Sie zu tun. Ich muss nachdenken. Vielleicht melde ich mich im Laufe der Woche wieder.»
    Jess ist verloren, dachte sie, als Castlewood sie mit leicht verstörtem Blick aus seinem Büro hinausführte. Ich bin verloren, ergänzte sie in Gedanken.

    «Komm, wir gehen», sagte sie mit resigniert klingender Stimme zu Baba und zog die ältere Frau am Handgelenk aus dem Wartezimmer des Advokaten.
    «A… Aber», wollte Baba noch sagen.
    «Später», sagte Lena nur, bemüht, einen Aufschrei zu unterdrücken, der ihr wie ein Keil in der Kehle steckte.
    Draußen erklärte sie Jess’ Mutter, welche Hiobsbotschaft der Advokat ihr überbracht hatte.
    «Das ist doch nicht möglich», stammelte Baba, als sie bei ihrer Kutsche angelangten.
    «Alles ist möglich», erwiderte Lena und betrachtete mit ausdruckslosem Gesicht die blühenden Vorgärten und die vornehmen Damen, die mit ihren Gesellschafterinnen unter aufgespannten Sonnenschirmen über die breite Hafenpromenade lustwandelten.
    «Dieser unsägliche Teufel», entfuhr es Baba heiser, womit sie ohne Zweifel Trevor meinte, der ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte.
    «Und was machen wir nun?»
    Baba war die Verzweiflung genauso anzusehen wie ihr selbst, doch auch sie wollte nicht weinen und Jess damit ihrer eigenen Verzagtheit preisgeben.
    «Du nimmst die Kutsche und kehrst zurück in die Berge, auch wenn du glaubst, dass uns Cato nicht helfen wird. Vielleicht hat Jess ein paar Freunde, Kameraden oder was weiß ich, die sich bereit erklären, dieses verdammte Gefängnis in die Luft zu jagen. Wir dürfen nichts unversucht lassen, hörst du?»
    Baba hatte ihr abwesend zugehört.
    «Und du?», fragte Baba sie und schenkte ihr unvermittelt ihre volle Aufmerksamkeit. «Was ist mit dir?»
    «Ich werde Dr. Bolton den gewünschten Besuch abstatten. Jedoch nicht, ohne mir zuvor einen eigenen Advokaten zu suchen. Ich kann unmöglich Dr. Castlewood mit meiner Verteidigung beauftragen. Wenn er die Zusammenhänge um meine zweite Entführung erfährt, schlägt er sich womöglich auf Trevors Seite und sorgt mit dafür, dass ich verurteilt werde.»
    «Und wo willst du solange unterkommen?», fragte Baba besorgt.
    «Ich fahre mit dir bis Spanish Town und nehme mir ein Zimmer im
King George Hotel
. So bin ich wenigstens Jess nahe, auch wenn ich im Moment nicht viel für ihn tun kann.»
    «Viel Glück», flüsterte Baba mit tränenerstickter Stimme.
    Sie drückte Lena fest, als sie kurz vor Sonnenuntergang an der St. Catherine’s Kathedrale in Spanish Town die Pferde zügelte, um Lena aussteigen zu lassen.
    «Dir wünsche ich dasselbe», sagte sie leise zu Baba und winkte ihr noch einmal zu, bevor sich die Kutsche in Richtung der Blue Mountains in Bewegung setzte.
    Lenas Weg führte zunächst zum Hauptportal der Kathedrale, die im goldenen Abendlicht lange Schatten warf. Draußen hatten sich ein paar Männer und Frauen in vornehmer Kleidung zu einem Schwätzchen versammelt. Im Vorbeigehen schnappte Lena die Worte Rebellen und Sklaven auf.
    «Man müsste sie alle öffentlich hängen», ereiferte sich ein schmallippiger Weißer und machte eine entsprechende Geste unterhalb seines welken Krötenhalses.
    «Jeffrey!», schimpfte seine Frau und bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. «Denk daran, es sind ein paar Damen anwesend.»
    Lena fragte sich in Gedanken, was es für einen Unterschied machte, ob man über eine Hinrichtung redete oder am Ende dabei zuschaute. Eigentlich war Letzteres wesentlich schlimmer, aber niemand hatte offenbar etwas einzuwenden, wenn Frauen daran teilnahmen. Im Innern der Kirche stellte Lena eine Kerze zu Ehren der heiligen Cathrine

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