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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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geschnitten, das Kinn glatt rasiert und von einem Hauch Eau de Cologne umgeben, gab er im grauen Cut den perfekten Gentleman. Doch seiner griesgrämigen Miene nach zu urteilen, war er nicht gerade bester Laune.
    Wie üblich servierte der Butler Jeremia das Abendessen im sogenannten Diningroom. Mit seinen weißen Handschuhen und der steifen Miene hätte er seinen britischen Kollegen in London alle Ehre gemacht. Auch das vornehme Interieur des Speisesalons erinnerte Lena an zu Hause. Der glatt polierte Boden aus tropischem Holz, die darübergelegten schweren, persischen Teppiche und die roten Samtschabracken an den riesigen Fenstern unterschieden sich nicht im mindesten von den übrigen Räumlichkeiten, aber vor allem nicht von englischen Speisezimmern.
    «Was machen die Geschäfte, Vater?», fragte Edward, offenbar um die Stimmung etwas aufzulockern.
    «Ach, diese verschissenen Baptisten-Missionare sind daran schuld, wenn in Kürze auf der Insel die Hölle ausbricht. Man sollte diese Pfaffen alle verbrennen!»
    Hastig goss er sich ein Glas Rotwein aus einer Kristallkaraffe ein und trank es in einem Zug.
    Lena blickte verlegen auf ihren Teller. Und auch Maggie saß auffallend steif auf ihrem Stuhl. Beide waren es nicht gewohnt, dass man in Anwesenheit von Damen fluchte, schon gar nicht bei Tisch.
    «Dauernd predigen sie, dass der englische König schon bald allen Sklaven die Freiheit schenken wird», fuhr Lord William aufgebracht fort und inspizierte die Speisen auf dem reich gedeckten Tisch. «Der Gouverneur ist mit mir und den übrigen Pflanzern der Meinung, dass wir notfalls mit einem Handelsembargo gegen unser ureigenes Vaterland reagieren müssen, wenn das Parlament in London und der König nicht auf unserer Seite stehen. Angus MacCallum schlug sogar vor, sämtliche Neger erschießen zu lassen, wenn es so weit kommt, dass sie sich allesamt gegen uns richten. Jedenfalls die männlichen Sklaven. Frauen und Kinder können wir notfalls illegal in die Südstaaten von Amerika verkaufen, da erhalten wir wenigstens noch einen anständigen Preis.»
    Lena schluckte schwer. Alle Schwarzen erschießen? Sie verstand das alles nicht, aber ganz offensichtlich war die Situation im Land tatsächlich weit schlimmer als angenommen.
    Während der Lord mit seinen Hasstiraden fortfuhr, servierte Jeremia ihm mit ausdruckslosem Gesicht eine Scheibe Rindfleisch, zwei gekochte Süßkartoffeln sowie etwas Gemüse.
    «Im Gouverneurspalast sind manche der Meinung, dass wir uns wie die Amerikaner vom britischen Königshaus lossagen müssen», fuhr William fort. «Falls es zum Äußersten kommt, können wir notfalls unsere amerikanischen Freunde um Unterstützung bitten.»
    Er nahm einen weiteren hastigen Schluck Wein und wandte sich dann mit offensichtlichem Appetit dem Braten zu. Mit vollem Mund sprach er weiter:
    «Der Gouverneur will, dass ich als Parlamentsabgeordneter meine guten geschäftlichen und politischen Verbindungen in die Südstaaten nutze, um die notwendigen Kontakte herzustellen.»
    «Bedeutet das, du reist nach Amerika, und ich soll die Plantage in diesen schwierigen Zeiten ganz alleine führen?», fragte Edward beunruhigt.
    «Warum nicht. Schließlich war ohnehin geplant, dass du schon bald die Leitung von Redfield Hall übernimmst. Außerdem hast du doch nun eine tüchtige Frau an deiner Seite!»
    William warf Lena ein aufforderndes Lächeln zu. Trotz der Missstimmung am Tisch freute sich Lena, dass er sie allem Anschein nach bereits vor ihrer Vermählung als vollwertiges Mitglied der Familie akzeptierte.
    «Warum verhandeln wir nicht einfach mit den Sklaven?», schlug sie eifrig vor. «Man könnte ihnen angenehmere Lebensbedingungen bieten. Mein Vater sorgt zusammen mit diversen Wohltätigkeitsorganisationen in den Arbeitervierteln Hamburgs und Londons dafür, dass es den Menschen dort bessergeht. Das beugt Aufständen vor, wie er sagt!»
    Edward begann unvermittelt zu husten. Offenbar hatte er sich an seinem Wein verschluckt.
    «Nimm die Arme hoch», riet Lena ihm mitfühlend, weil Edward bereits rot anlief und es aussah, als ob er zu ersticken drohte. «Oder soll ich –»
    «Meine Liebe», fiel Lord William ihr mit einem kalten Lächeln ins Wort, während Edward sich nur langsam von seinem Hustenanfall erholte. «Offenbar hat dein Vater dich darüber im Unklaren gelassen, wie solche Dinge tatsächlich laufen. Hast du dich je gefragt, warum du in London und auch in Hamburg in einer komfortablen Villa lebst, mit all

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