Flamme von Jamaika
schwer bestrafen.»
Lena glaubte, sich verhört zu haben.
«Nichts dergleichen wird geschehen!»
Sie kramte in ihrem perlenbesetzten Stoffbeutel, den sie passend zu ihrem hellgrünen Batistkleid trug, und zog ein paar Silbermünzen hervor. Diese drückte sie Anny in die Hand.
«Kaufen Sie dafür so viel Laudanum, Chinin und Verbandmaterial, wie Sie bekommen können. Die Wunden müssen mit heißem Wasser gesäubert werden und benötigen täglich einen frischen Verband. Außerdem muss er viel trinken und frisches Obst essen. Dessen Beschaffung dürfte auf dieser Plantage wohl kaum ein Problem darstellen. Ich werde in zwei Wochen wiederkommen und mich selbst vom Gesundheitszustand dieses Mannes überzeugen.»
Anny nickte verdattert, und auch der Kranke schenkte ihr plötzlich seine, wenn auch zurückhaltende Aufmerksamkeit.
«Woher weißt du so genau, wie man ihm helfen kann?», fragte Maggie verblüfft.
«Ich bin doch in einem Pensionat erzogen worden», erinnerte Lena ihre Freundin. «Eine meiner Lehrerinnen hat während der Napoleonischen Kriege im Lazarett gearbeitet und uns immerzu von der Behandlung der Verletzten erzählt. Es war so schauderhaft, dass ich mir einiges davon gemerkt habe.»
«Gott schütze Sie», stammelte Anny und vollführte eine unbeholfene Verbeugung.
Lena war das Verhalten der Frau unangenehm.
«Es ist unvorstellbar, in welchem Zustand die Kranken vor sich hinsiechen», erklärte sie, bevor sie mit Maggie die Krankenstation verließ. «Wenn ich erst Herrin dieses Hauses bin, wird sich einiges ändern!»
Auf dem Rückweg zum Haupthaus fehlte von Tom Doe merkwürdigerweise jede Spur.
«Vielleicht hat er den Anblick der halbtoten Patienten nicht ertragen können», gab Lena zu bedenken, als Maggie sich nach allen Seiten umsah.
«Kann uns nur recht sein», erwiderte Maggie, wobei ihre dunklen Knopfaugen listig aufleuchteten. «Wir könnten versuchen, unbeobachtet zum Park zu gelangen, wo der Friedhof sein soll. Was hältst du davon?»
«Ach, ich weiß nicht», sagte Lena und setzte ihren Weg Richtung Haupthaus fort. «Was ist, wenn Edward uns erwischt?»
«Der ist, soweit ich weiß, bei der Destille. Vor dem Abendessen wird er wohl nicht zurück sein. Und Lord William besucht einen Abgeordneten auf einer Nachbarplantage.»
«Na gut, wenn du es sagst.» Lena zuckte mit den Schultern. «Dann sollten wir die Gelegenheit beim Schopfe packen, um etwas mehr Licht ins Dunkel zu bringen.»
Zunächst führte ihr Weg hinunter zum Fluss, wobei sie versuchten, im Schutze der Bäume und Büsche zu bleiben, damit sie nicht entdeckt werden konnten. Etwa eine halbe Meile südlich vom Herrenhaus entfernt erreichten sie einen künstlichen Bachlauf, der ein sauber gestutztes Rasenstück umgab. Neugierig traten die beiden Frauen näher. Dahinter verbarg sich ein englischer Park, der von einem kunstvoll geschmiedeten Eisengitter umzäunt war. Um das Areal zu betreten, musste man durch ein Tor.
«Für das Vorhängeschloss brauchen wir einen Schlüssel.» Lena rüttelte vergeblich an der mannshohen Pforte. «Was sich wohl dahinter verbirgt?»
«Wir werden es gleich herausfinden», erklärte Maggie und deutete auf ein paar verbogene Stäbe im Zaun.
Schon waren sie hindurchgeschlüpft und sahen sich um. Nach ein paar Metern kamen sie an eine kleine Lichtung mit mehr als dreißig Grabsteinen.
«Das ist tatsächlich der besagte Friedhof!» Lena staunte nicht schlecht und begann die Inschriften zu lesen. «Die meisten Gräber sind älter als fünfzig Jahre. Hier liegen Männer und Frauen, wahrscheinlich Vorfahren von Lord William.»
Etwas abseits gab es noch eine separate Grabstätte. Sie war durch die tiefhängenden Äste von Trauerweiden und hohe Rhododendronbüsche vor neugierigen Blicken geschützt. Hier befanden sich sieben weitere Grabsteine aus hellem Marmor.
«Ausnahmslos Frauen», murmelte Maggie, während sie versuchte, die Inschriften zu entziffern. «So wie es aussieht, sind sie alle erst in den letzten zwanzig Jahren gestorben.»
Das älteste Grab war ein richtiges Mausoleum. Als Lena näher trat und die goldunterlegten Lettern las, erschauderte sie.
«Lady Anne», hauchte sie. «Hier liegt Edwards Mutter begraben.»
«Da stehen auch noch die Namen Philippa und Alice. Ob das Edwards Schwestern waren? Anscheinend sind sie am gleichen Tag wie ihre Mutter gestorben, was bedeuten könnte, dass es sich um eine missglückte Geburt gehandelt hat.»
Die anderen Grabsteine sahen deutlich
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