Flamme von Jamaika
weniger pompös aus, obwohl die Namen der Frauen allesamt adelig klangen.
«Eine Lady von Roxburgh ist darunter», las Maggie im Vorbeigehen, «und eine Isabella de Campo, angeblich die Tochter eines Parlamentsabgeordneten aus Spanish Town.»
«Schau, dort! Da steht ein kleiner Obelisk», bemerkte Maggie und deutete auf eine halbhohe, kaum verwitterte Marmorsäule.
«Sieht nicht wie ein Grab aus», erwiderte Lena und kniff die Lider zusammen, um besser sehen zu können.
«Ja, du hast recht», bestätigte Maggie. «Es ist eher eine Art Gedenkstein. Die Inschrift trägt den Namen Lady Henriette MacMelvin. Aber da steht noch etwas, warte …» Sie stockte. Dann sah sie Lena mit weit aufgerissenen Augen an. «
In Liebe und ewiger Verbundenheit. Edward
?»
Lena runzelte die Stirn. «Was hat das zu bedeuten? Denkst du, Edward war schon einmal verheiratet?»
«Kaum vorstellbar, denn dann hätte sie ja seinen Namen angenommen. Trotzdem stellt sich die Frage, warum er es dir verschwiegen hat.»
«Ja, das stimmt», erwiderte Lena und schüttelte den Kopf. «Außerdem hätten seine Advokaten etwas Derartiges erwähnt. Die Aufzählung eventueller vorheriger Ehen und der möglichen, daraus resultierenden Versorgungsansprüche waren Bestandteil des Vertrages. Mein Vater hätte es mir bestimmt gesagt, wenn Derartiges in Edwards Ehestandsurkunde gestanden hätte.»
Ihr Blick schweifte gedankenverloren über die Gräber.
«Vielleicht war es auch nur eine Verlobte, und es war ihm unangenehm, mir von einer vorangegangenen Liebe zu berichten. Möglicherweise wollte er keine alten Geister wecken. Jedenfalls kann ich keinen Grund erkennen, warum er mir den Tod dieser Frau verschweigen sollte.»
«Dann frag ihn doch danach.»
Lena überlegte. «Dann weiß er ja sofort, dass wir hier waren und gegen seinen Willen spioniert haben. Außerdem besteht ja immer noch die Möglichkeit, dass diese Henriette auch eine von Lord Williams Verlobten gewesen ist, die Edward besonders gemocht hat.»
«Und warum lässt
er
sich dann auf dem Stein verewigen und nicht sein Vater?» Maggie war skeptisch.
Lena rieb sich nachdenklich die Nase.
«Aber nein», entschied sie schließlich. «Ich will ihn nicht fragen. Entweder er erzählt es mir selbst, oder jemand, der die Familie gut genug kennt, erwähnt es aus freien Stücken.»
«Zum Beispiel seine Patentante?», fragte Maggie, und ihre Augen blitzten wie die eines Spions, der gerade eine wichtige Information bekommen hat. «Sie hat doch ihren Besuch für heute Abend angekündigt, oder etwa nicht?»
Lady Elisabeth Fortesque war eine verwitwete Endvierzigerin, die selbst eine riesige Plantage besaß und sich regelmäßig auf Redfield Hall aufhielt. In erster Linie machte sie durch ihre Beleibtheit und einen unaufhörlichen Redefluss auf sich aufmerksam. Entgegen ihrer sonstigen Schwatzhaftigkeit trug sie bei der abendlichen Tasse Tee, die Lena mit ihr und Maggie allein im Salon einnehmen durfte, aber nicht wirklich zur Aufklärung der Blake’schen Familiengeheimnisse bei.
«Edwards Mutter war meine beste Freundin», erklärte sie schlicht und nahm Lenas schmale Hand in ihre mollige Rechte. «Ist das der Verlobungsring?»
Sie deutete auf den kostbaren Diamantring, den Lena seit ihrer Verlobung mit Edward am linken Ringfinger trug. Lena fiel auf, dass die Lady manchmal ein wenig lispelte, was wohl an ihren Zahnlücken lag.
«Weißt du, woran ich das erkenne?», fragte Elisabeth Fortesque und schaute sie aus wasserblauen, leicht blutunterlaufenen Augen an.
Lena schüttelte überrascht den Kopf.
«Er ist exakt nach dem Verlobungsring von Edwards Mutter gefertigt. Ich will nicht behaupten, dass es der gleiche ist, aber er sieht zumindest genauso aus.»
Diese Erkenntnis überraschte Lena aufs Neue. Warum hatte Edward ihr den gleichen Verlobungsring geschenkt, den seine Mutter getragen hatte? War er so einfallslos, oder hatte das Ganze Methode? Sie hatte plötzlich viele Fragen, aber Lady Elisabeth schien der Sache keine weitere Bedeutung beimessen zu wollen und ging in eine belanglose Unterhaltung über. Allem Anschein nach war sie eine gutmütige, unkonventionelle Person, die Lena und Maggie entgegen der üblichen Sitte sogleich das Du angeboten hatte. Außerdem war sie Edward und seinem Vater sehr zugetan. Etwas, das Lenas Zweifel über die Strenge ihres Schwiegervaters beschwichtigte.
«Ich bin sehr froh, dass William eine so kluge und hübsche Frau für seinen Sohn gefunden hat. Und dass
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