Flamme von Jamaika
quoll es aus ihr hervor.
«Geht das nicht ein bisschen zu schnell?» Maggie sah sie ungläubig an. «Und überhaupt, woher willst du das wissen?»
«Ich habe es gesehen», flüsterte sie heiser.
«Du hast
was
gesehen?» Nun war es an Maggie, sie mit aufgerissenen Augen anzustarren.
«Ich habe gesehen, wie er es mit einer anderen Frau getan hat. Unten am Fluss. Mit einer Sklavin.»
«Sag nur, er hat sie wie Trevor vergewaltigt?» Maggie wirkte sichtlich besorgt.
«Nein, Maggie, so ist es nicht», erklärte sie und seufzte erschöpft. «Sie wollte es, und er wollte es auch. Sie haben sich gepaart wie die Tiere. Haben geschrien und gestöhnt, sogar in Gegenwart von Kindern, die auf dem Boden schliefen. Es erscheint dir bestimmt unvorstellbar, aber ich habe es mit eignen Augen gesehen!»
Maggies Ausdruck war völlig verwirrt.
«Du meine Güte! Und was wirst du nun tun?»
«Ich werde von hier verschwinden, Maggie. Zusammen mit dir. Wir fahren zurück nach Hause zu meinem Vater.»
Sie putzte sich lautstark die Nase, indem sie den Rocksaum hochnahm und ihn wie ein Taschentuch verwendete. Zu mehr war dieses Kleid sowieso nicht mehr zu gebrauchen.
«Und wie soll das gehen?» Maggie schaute alarmiert. «Ich meine, denkst du ernsthaft, Edward und sein Vater werden zulassen, dass du Redfield Hall so mir nichts, dir nichts verlässt? Was ist, wenn die beiden befürchten müssen, dass du all das hier deinem Vater berichtest und es in London oder Hamburg zu einem Skandal kommt? Edward ist nun so etwas wie dein Vormund, und er kann dir sogar verbieten, das Haus zu verlassen.»
«Um die Meinung der Leute mache ich mir weniger Sorgen. Edward ist sicher nicht der erste Mann, der es mit seinen Sklavinnen treibt. Wahrscheinlich wird man mich auslachen, wenn ich mich darüber beschwere, dass mein Mann Affären mit Dienstboten hat. Viel wichtiger ist mir, dass mein Vater mir mit seinen Advokaten aus dieser schrecklichen Ehe heraushilft.»
«Aber wir müssen besonnen an diese Sache herangehen. Lord William hat offenbar viel Geld investiert, um dich nach Jamaika zu locken. Was ist, wenn er und sein missratener Sohn dich zwingen wollen hierzubleiben, damit du deine Pflichten als Ehefrau und zukünftige Mutter erfüllst?»
«Denkst du ernsthaft, dass ich den beiden meine Absichten ankündige?», erwiderte Lena. «Wir werden uns davonschleichen.»
«Und wie soll das gehen? Edward schickt dir doch ständig einen Aufpasser hinterher.»
«Wir werden die Einladung von Lady Fortesque übermorgen zum Tee annehmen und sagen, dass wir bei ihr übernachten. Wenn wir dort sind, machen wir uns in aller Frühe davon.»
«Und was ist, wenn kein Schiff nach Europa fährt? Wir haben bereits Mitte September, und die Wirbelstürme haben längst begonnen. Wo sollen wir uns verstecken? Was ist, wenn Edward dich findet und vor lauter Zorn umbringen lässt? Immerhin gibt es diese toten Frauen in seiner Familie … Vielleicht haben sie Edward und seinen Vater aus den gleichen Gründen verlassen wollen und mussten ihren Ungehorsam mit dem Leben bezahlen?»
Maggie war plötzlich leichenbleich und schien sich in ihre düsteren Phantasien regelrecht hineinzusteigern.
«Ein Grund mehr, sich zu beeilen», bekräftigte Lena ihre Absichten.
Kapitel 10
September 1831 // Jamaika // Totenklage
I m Gegensatz zu Lena, die in der Nacht kein Auge zugetan hatte, erschien Edward am nächsten Morgen mit einem Lächeln zum Frühstück im Diningroom. Gut gelaunt setzte er sich an den langen Tisch und studierte das reichhaltige Angebot, das die Küchenmägde unter Anleitung von Estrelle wie jeden Morgen zubereitet hatten: gebackene Brotfrüchte, Eier mit Speck, kalter Braten, dazu Cheddar am Stück und eine Variation von exotischen Marmeladen aus hauseigener Herstellung. Edward beauftrage Jeremia, ihm von allem etwas auf den Teller zu legen und ein Glas frisch gepressten Orangensaft einzugießen.
Offensichtlich ging es ihm gut, und er schien nichts zu vermissen.
Kein Wunder, dachte Lena grimmig, schließlich hatte er sich ungeachtet der furchtbaren Ereignisse vom Vorabend bestens amüsiert. In ihrem eigenen Herzen sah es dagegen vergleichsweise düster aus. Wie Maggie saß sie in einem schwarzen Kleid bei Tisch, als ob sie zu einer Beerdigung ginge, und hatte nur eine Tasse Tee vor sich stehen.
Jeremia ließ sich nicht anmerken, dass der gestrige Tag anders verlaufen war als erwartet. Souverän servierte der Hausbutler Tee und Toast und was man sonst noch für
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