Flamme von Jamaika
ein englisches Frühstück benötigte.
«Schönes Wetter heute», bemerkte Edward betont gut gelaunt und warf einen Blick aus dem Terrassenfenster.
Die breite Veranda wurde von der warmen Morgensonne überflutet. Nur der Wind war frisch, wie man an den sich wiegenden Palmen und Sträuchern erkennen konnte. Wie unter Zwang folgte Lena Edwards Blicken hinaus bis zum Fluss, an dessen Ufern so furchtbare Dinge geschehen waren. Sie musste an sich halten, um nicht zu würgen, als Edward eine Banane schälte und herzhaft hineinbiss.
Das Bild dieser Frau, wie sie Edward in den Mund nahm … Nein, dachte sie krampfhaft. Weg damit, ich will es nicht mehr sehen! Und doch … es war schier unmöglich, diese schreckliche Begebenheit aus ihrem Kopf zu verbannen.
«Hast du auch so gut geschlafen?» Edward sah sie an und grinste vom einen Ohr bis zum anderen.
Lena erschien diese Frage wie eine schallende Ohrfeige, die sie ihm gerne leibhaftig zurückgegeben hätte. Fragend hob er eine Braue, weil sie nicht antwortete. Als sich ihre Blicke trafen, schlug Lena hastig die Augen nieder, damit er keinen Verdacht schöpfte.
«Unser Hochzeitstag war zugegebenermaßen ein bisschen anstrengend», erklärte sie. «Ich habe geschlafen wie ein Stein, den man ins Wasser wirft.»
Edward erwiderte nichts, sondern lächelte nur süßlich und nahm sich ein Stück geröstetes Brot.
Lord William, der soeben zusammen mit dem Gouverneur und seiner Frau zur Tür hereingekommen war, gab sich hingegen eher mürrisch, als er neben seinem Sohn Platz nahm. Wie Edward und der Earl of Belmore trug William einen gedeckten Morgenanzug. Die Gouverneursgattin hingegen hatte sich aller Tristesse zum Trotz für ein ockergelbes Ensemble aus Kleid und Jäckchen entschieden.
Jeremia und Estrelle rückten den beiden Neuankömmlingen neben Lena die Stühle zurecht.
«Wie geht es dem Captain?» Lena bedachte den Gouverneur, mit einem mitfühlenden Blick.
«Peacemaker ist Gott sei Dank wieder auf den Beinen. Es war nur ein Streifschuss an der rechten Schulter.»
Der Earl wirkte erleichtert und verbeugte sich kurz vor ihr und Maggie, bevor er und seine Frau Platz nahmen.
«Er wird uns nachher mit seinen Leuten nach Kingston begleiten», fügte er hinzu und bat Jeremia um eine Tasse Kaffee.
Auch Lord William hatte sich ausnahmsweise Kaffee zum Frühstück einschenken lassen. Das tat er nur, wenn er unpässlich war.
Lena konnte die schlechte Laune ihres Schwiegervaters durchaus nachvollziehen. Er hatte die Pflanzer aus der Umgebung mit einem rauschenden Fest blenden wollen, und nun war ausgerechnet die Hochzeit seines einzigen Sohnes zu einem Skandal geworden.
Lady Elisabeth, die ebenfalls auf Redfield Hall übernachtet hatte, erschien nun kurz nach dem Gouverneurspaar im Diningroom und setzte sich Lena gegenüber. Man konnte ihr mühelos ansehen, dass sie am Abend zuvor zu viel Wein und Gin getrunken hatte. Ihre Wangen waren rötlich gefleckt, und ihre geschwollenen Tränensäcke verengten die ansonsten leicht hervorstehenden, wasserblauen Augen zu schmalen Schlitzen.
«Entschuldigt bitte», verkündete sie in einem kläglichen Ton. «Mir ist nicht wohl. Mein Kopf dröhnt entsetzlich.»
Stöhnend hielt sie sich die Stirn, als ob es eines Beweises bedürfte. Estrelle stellte ihr einen Weidenrindentee vor die Nase, den der fürsorgliche Doktor Lafayette, der ebenfalls im Herrenhaus übernachtet hatte, ihr – wie sie sagte – bereits vor dem Frühstück verordnet hatte. Dazu überreichte Jeremia der Lady den gewünschten Löffel Laudanum, zu dem der Doktor außerdem geraten hatte, bevor er davongeeilt war, um bei Captain Peacemaker zum dritten Mal den Verband zu wechseln.
Lord William wies Jeremia an, dem Doktor und den Soldaten ein ebenbürtiges Frühstück in den Mannschaftsräumen der Aufseher auftischen zu lassen.
«Du siehst blass aus, Kind», sagte Elisabeth mit verwaschener Stimme und warf Lena einen mitleidigen Blick zu. «Nicht so rosig, wie man es nach einer Hochzeit erwarten würde.»
«Das ist ja auch kein Wunder, nach allem, was geschehen ist», kam ihr Lady Juliana zu Hilfe.
Mit ihren hochgesteckten, rotbraunen Locken und dem dezent geschminkten Gesicht sah die Gouverneursgattin im Gegensatz zu den übrigen Frauen am Tisch geradezu erholt aus. Sie nahm sich eine Scheibe geröstetes Brot, das Estrelle ihr aus einem silbernen Körbchen angeboten hatte, und verlangte von dem Rührei, das ihr auf Wunsch auf einem Porzellanteller serviert wurde.
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