Flamme von Jamaika
Dann nippte sie an ihrer Tasse mit dampfendem Tee und ergriff erneut das Wort.
«Ich habe auch kaum ein Auge zugetan, wobei ich sagen muss, dass es eher an den Geräuschen lag, die Somerset von sich gegeben hat. Sein Schnarchen war beinahe schlimmer als ein Kanonengrollen.»
Sie warf ihrem Gemahl ein gutgemeintes Lächeln zu, das dieser mit einem Stirnrunzeln kommentierte. Ähnlich wie Lord William war er in seine Zeitung vertieft, die Jeremia jedem der Herren an den Platz gelegt hatte. Ein Kurier hatte wie üblich am Morgen gleich mehrere Exemplare zur Plantage gebracht.
«Monty Preston hat offenbar Wort gehalten», brummte der Gouverneur abwesend. «Nicht ein einziges Wort über den gestrigen Vorfall!»
«Das hat mich eine hübsche Stange Geld gekostet», bestätigte Lord William. «Ich habe ihm tausend Pfund zugesteckt, bevor er gegangen ist, damit er die Sache für sich behält.»
«Dafür haben seine Leute ganze Arbeit geleistet», bemerkte der Gouverneur anerkennend. «Hier steht nur etwas von einer rauschenden Hochzeit im Hause ‹unseres geschätzten Parlamentsabgeordneten Lord William Blake›.»
«Preston hat mir übrigens auch erzählt, dass es vorgestern Nacht einen Angriff auf das Gerichtsgefängnis in Spanish Town gegeben hat, bei dem zwei Wachsoldaten getötet wurden.»
Lord William bedachte den Gouverneur mit einem herausfordernden Blick, und auch Edward schaute plötzlich interessiert auf.
«Die Täter seien in der Dunkelheit entwischt. Auch darüber war in der Zeitung nichts zu lesen.»
Dem Gouverneur war diese Frage sichtlich unangenehm.
«Im Moment wissen wir noch nicht, wer hinter der Sache steckt. Möglicherweise wollten die Angreifer die drei Gefangenen befreien, die Sir Edward vor einer Weile nach Spanish Town hat bringen lassen. Sie werden noch immer verhört. Und es sieht ganz danach aus, als hätten wir es hier mit einer neuen Form von Rebellenorganisation zu tun, ähnlich den früheren Maroon. Aber das ist sicher kein Thema für den Frühstückstisch, zumal Damen anwesend sind. Ich habe meine besten Leute mit der Untersuchung des Falls betraut.»
Der Gouverneur verzog die Mundwinkel und wandte sich erneut seiner Zeitung zu.
«Darf ich mal sehen, Schatz?» Seine Gemahlin Juliana schenkte ihm ein hinreißendes Lächeln.
Mit einem Schulterzucken gab der Gouverneur seiner Frau das Blatt mit den neusten Klatschnachrichten und widmete sich dem Finanzteil. Währenddessen servierte ihm Jeremia ein Stück kalten Braten und eine mit Käse überbackene Scheibe Toast.
«Sie müssen wissen, ich liebe Klatsch», wandte sich Juliana lächelnd an Lena.
«Nun, davon gab es ja gestern reichlich», erwiderte Lena spitz.
Wobei sie es sich nicht verkneifen konnte, einen Seitenblick auf Edward zu werfen. Es fuchste sie, dass niemand von den Männern auch nur daran dachte, den möglichen Grund der Geschehnisse ausführlicher zu diskutieren. «Kann man denn nun davon ausgehen, dass nach der Täterin noch gesucht wird?», fragte sie provokant in die Runde. «Oder wird die Sache am Ende komplett unter den Tisch gekehrt?»
Edward sah alarmiert auf, und auch Lord William warf ihr einen undefinierbaren Blick zu.
«Die Aufklärung dieser Angelegenheit fällt in den Zuständigkeitsbereich des Militärs», klärte der Gouverneur sie mit einem schulmeisterlichen Ton auf. «Somit ist dies kein Fall mehr, der in die Öffentlichkeit gehört. Jedenfalls so lange nicht, bis wir die Schuldigen geschnappt haben. Die Verurteilung der Täter und die anschließende Vollstreckung der Todesstrafe sind dann wieder öffentlich.»
«Das bedeutet, Ihnen geht es in erster Linie um die Aufklärung der Morde an den beiden Soldaten, hab ich recht?», bohrte Lena weiter, ungeachtet der bösen Blicke ihres Schwiegervaters. «Aber was ist mit der Frau, die diesen grässlichen Fluch gegen uns ausgesprochen hat?»
«Ich denke durchaus, dass es da einen Zusammenhang gibt», antwortete der Gouverneur mit verhaltener Stimme. «Doch solange wir nicht wissen, was genau dahintersteckt, sollten wir uns mit Spekulationen zurückhalten.»
Edward räusperte sich. «Was habt ihr denn heute Schönes vor?», fragte er und bedachte Lena und Maggie mit einem scheinheiligen Lächeln.
Dieser Schuft!, dachte Lena. Da lenkte er von den brisanten Themen ab und tat so, als ob zwischen ihnen nicht der leiseste Ärger herrschte. Offenbar wollte er sich vor seinem Vater und erst recht nicht vor dem Gouverneur und seiner Gattin anmerken lassen, dass
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