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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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Männern ins Lager zurückkehrte. Während Nathan die erschöpften Flüchtlinge bei Cato anmeldete und anschließend in der Krankenhöhle ablieferte, kümmerte sich Jess um seine ohnmächtige Gefangene.
    «Wen bringst du mir denn da?», krakeelte Baba, ohne zu ahnen, welch kostbare Fracht ihr Sohn tatsächlich im Gepäck hatte.
    Dabei wurde Jess augenblicklich bewusst, dass es ein Fehler sein konnte, die Frau in der Obhut seiner Mutter zu lassen, doch nun war es zu spät.
    «Das ist doch nicht möglich», entfuhr es ihr ungläubig, als sie die blonde Mähne der Geisel erblickte.
    Jess stieg von seinem Muli, legte sich die Gefangene ein wenig unsanft über seine Schulter und marschierte voran. Sein Ziel war eine der leer stehenden Gefangenenhöhlen.
    «Du siehst vollkommen richtig», fuhr er seine Mutter im Vorbeigehen an. «Und nun lauf und hole Desdemona, damit sie uns hilft, die Frau zurück ins Leben zu holen. Sie darf auf keinen Fall sterben, wir brauchen sie noch.»
    Während Baba kopfschüttelnd und laut zeternd nach draußen lief, legte Jess die junge Frau im Innern der Höhle behutsam auf einer schäbigen Strohmatratze ab. Dann holte er ihre kleine Reisetasche, die sie neben den Satteltaschen dabeigehabt hatte, und bettete ihren Kopf darauf. Den Schmuck hatte er vorsichtshalber an sich genommen, in der Absicht, ihn gut zu verstecken, damit niemand auf die Idee kam, ihn heimlich zu stehlen.
    Das teure Gepäckstück war aus bestem Leder gefertigt und trug den Aufdruck einer noblen Londoner Taschenmanufaktur. Beinahe schämte er sich ein wenig, dass er einem so vornehmen Geschöpf nichts Besseres bieten konnte als dieses Loch. Doch dann rief er sich ins Gedächtnis zurück, wem sie all diesen Reichtum zu verdanken hatte, und schon spürte er Groll in sich aufsteigen.
    Schon viel zu oft hatte er Frauen ihres Schlages bei öffentlichen Auspeitschungen beobachtet, wie sie gelangweilt mit ihren seidenen Sonnenschirmen spielten, während ein guter Mann kaum fünfzig Fuß von ihnen entfernt Höllenqualen erlitt oder gar mit dem Tode rang.
    Bisher hatte sie ein Dasein voller Luxus geführt, doch in den nächsten Tagen würde sie das Leben von einer anderen Seite kennenlernen. Keine Dienstboten, keine weichen Federbetten und keine Nachttöpfe aus Porzellan. Ein Grinsen entfuhr ihm bei dem Gedanken, dass sie sich mit ihrem kleinen Hintern auf einen der herumstehenden Eimer setzen musste, um ihr Geschäft zu erledigen.
    Wobei ihn der Umstand, dass seine Mutter die volle Verantwortung für sie trug, zugleich beunruhigte. Immerhin hatte Baba dieser Frau den Tod gewünscht! Noch einmal überprüfte er ihre Augenbinde und erwischte sich bei der Frage, welche Farbe ihre Iris haben mochte. Saphirblau oder smaragdgrün? Auch die Fesseln an ihren Handgelenken kontrollierte er sorgsam. Sie duftete wunderbar, und Jess begutachtete noch einmal ausgiebig ihren wohlgeformten Mund, dessen volle Lippen denen einer Kreolin in nichts nachstanden. Völlig unerwartet überkam ihn das Gefühl, dass er Edward Blake um eine solch begehrenswerte Frau beneidete. Ein Geräusch ließ ihn aufhorchen. Desdemona und Baba betraten schwatzend den Unterschlupf. Jess stand auf und schaute Desdemona mit ernster Miene an. «Du musst zusehen, dass sie möglichst bald zu sich kommt», befahl er der Alten. «Und sorg dafür, dass ihre Gesundheit stabil bleibt. Sie ist ab sofort unsere Gefangene und ein wichtiges Unterpfand gegenüber dem Gouverneur. Wenn ihr etwas zustoßen sollte, bin nicht nur ich davon betroffen, sondern das ganze Dorf. Habt ihr beiden mich verstanden?»
    Die alten Frauen nickten kaum merklich, und Baba bedachte ihn mit einem feindlichen Blick.
    «Es ist niemandem erlaubt, ihr die Augenbinde oder die Fesseln zu lockern», fügte er unmissverständlich hinzu.
    «Mir musst du das nicht sagen», raunte Baba heiser. «Ich werde ihr bestimmt keine Sonderbehandlung zukommen lassen.»
    Jess packte seine Mutter hart am Oberarm und drückte erbarmungslos zu.
    «Autsch, du tust mir weh!», protestierte sie lauthals.
    «Solltest du ihr auch nur ein Haar krümmen, werde ich keine Rücksicht darauf nehmen, dass du meine Mutter bist. Ist das klar?» Baba nickte widerwillig, und erst dann lockerte Jess seinen Griff.
    «Ich verlass mich auf euch», bekräftigte er noch einmal und bedachte Desdemona mit einem drohenden Blick.
    «Ich tue, was ich kann», erwiderte die Alte mit verärgerter Miene. Dann zückte sie eine kleine Glasphiole und flößte der Frau

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