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Flamme von Jamaika

Flamme von Jamaika

Titel: Flamme von Jamaika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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fasste sich ans Kinn, als ob er nachdenken müsse, dann fuhr er unvermittelt fort: «Was du darüber hinaus mit ihr anstellst, geht mich nichts an.»
    Cato grinste schmutzig, und Jess konnte sich denken, was der Alte andeuten wollte: Er hatte nichts dagegen, wenn Jess seine Geisel vergewaltigte, solange es gefesselt und mit verbundenen Augen geschah und die Frau nicht über Gebühr verletzt oder gar umgebracht wurde. Das durfte er sich für später aufheben, falls die Sache danebenging.
    Na wunderbar!, dachte er beim Verlassen der Hütte. Da hatte er sich eine schöne Suppe eingebrockt. Cato hatte ihn mit einem Satz vom Anführer der Krieger zur Kammerzofe einer verwöhnten weißen Lady degradiert. Doch trotz dieser scheinbaren Schmach meldete sich plötzlich sein Beschützerinstinkt. Ja, es war seine Idee gewesen, die Frau als Geisel zu nehmen, und deshalb trug er zu Recht die Verantwortung für alles, was weiter mit ihr geschehen würde. Aber deshalb war er noch lange kein rüder Barbar, der zuließ, dass man ihr darüber hinaus unnötiges Leid zufügte.

    Den Schal wieder um die Augen gebunden, die Hände versteckt hinter dem Rücken und das Brett in unmittelbarer Nähe, wartete Lena mit klopfendem Herzen darauf, dass die Alte endlich erschien. Als sie nach langem Warten Schritte vernahm und das Geräusch des sich im Schloss drehenden Schlüssels hörte, glaubte Lena, ihre Brust müsste vor Aufregung zerspringen.
    «Na, mein Täubchen, gut geschlafen?», fragte die Alte voller Schadenfreude.
    Anstatt zu antworten, zog sich Lena den Schal herunter. Die Frau stand einen Meter entfernt mit dem Rücken zu ihr. Sie hatte eine brennende Fackel in einen der eisernen Wandhalter gesteckt und bückte sich über den verbeulten Blechnapf. Ihre Gestalt, in ihrem abgewetzten, blauen Kittel, der ihr bis zu den Waden reichte, erschien Lena ausgesprochen dürr. Arme und Beine hingegen besaßen eine gewisse Zähigkeit. Ihr langes, zotteliges Haar war dunkel und von Silberfäden durchwirkt. In einer Hand hielt sie eine Emaille-Schüssel mit einer undefinierbaren Suppe, die sie offenbar gerade in den Napf gießen wollte.
    Vorsichtig griff Lena nach dem Brett. Dann holte sie aus. In dem Moment, da das harte Holz den Kopf der Frau traf, drehte diese sich um, und Lena starrte direkt in ihre verblüfften, hellbraunen Augen. Sie ist viel jünger, als ich dachte, schoss es ihr in den Sinn, was sie allerdings nicht davon abhielt, mit all ihrer zur Verfügung stehenden Kraft zuzuschlagen.
    Die Frau ging mit einem Aufschrei zu Boden, und die Schüssel flog klirrend im hohen Bogen durch die spärlich beleuchtete Zelle. Der Inhalt spritzte an die Wände und Lena ins Gesicht. Doch auch davon ließ sie sich nicht beirren. Ohne sich noch einmal umzuschauen, rannte sie zur offen stehenden Zellentür. Erstaunt stellte sie fest, dass die Alte den Schlüssel von außen hatte stecken lassen.
    Sie überlegte nicht lange, sondern schloss ihre Peinigerin in der Zelle ein, die sich wie ein Wurm am Boden wand und sich jammernd den Kopf hielt. Dann warf sie den Schlüssel weit von sich, sodass die Alte ihn unmöglich erreichen konnte. Danach folgte Lena dem Lichtschein Richtung Höhlenausgang. Als sie ins Freie gelangte, sah sie zum ersten Mal den ockerfarbenen Platz, von dem aus man einen weiten Blick über die Berge hatte.
    Der Ort war von riesigen Bäumen umgeben, die seltsam geformte Früchte trugen und sich wie bei einem Tanz im aufkommenden Sturmwind wiegten. Nicht weit entfernt stand ein verstecktes Strohhüttendorf. Sie fragte sich, wer in einer solchen Abgeschiedenheit leben konnte. Weit und breit war niemand zu sehen. Direkt vor ihr lag ein dichter Urwald, der sich den Berghang hinabzog und in ein tiefer liegendes, dichtbewaldetes Tal mündete, das von weiteren Bergketten umringt war. Eine endlose, undurchdringliche grüne Hölle, durch die sie ihren Weg finden musste, wenn sie ihre Freiheit wiedererlangen wollte.
    Ein kurzer Blick zum Himmel verriet ihr, dass es bereits lange nach Mittag sein musste. Den dahinjagenden Wolken nach zu urteilen, zog ein Sturm auf, was durchaus ein Vorteil sein konnte. Ohne weiter darüber nachzudenken, rannte Lena querfeldein zwischen den hohen Bäumen hindurch in die immer dichter werdende Vegetation. Es roch nach Erde, Blumen und abgestorbenen Blättern. Tiefer und tiefer tauchte sie in das satte Grün ein, das nun in einen Mischwald mit den verschiedensten Bäumen und Sträuchern überging. Mit jedem Meter, den

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