Flamme von Jamaika
herausfordernd an. Wollte der alte Fuchs ihm tatsächlich die gesamte Verantwortung aufbürden? Vielleicht wollte er aber auch nur prüfen, ob Jess über sein vorschnelles Handeln hinaus eine vernünftige Strategie anbieten konnte, wie diese schwierige Aufgabe am besten zu lösen war.
«Ich bin dafür, dass wir möglichst rasch eine schriftliche Aufforderung an den Gouverneur absetzen, die einen baldigen Austausch fordert», begann Jess und setzte sich gerade hin, damit Cato den Eindruck gewann, er sei entschlossen genug, den einmal eingeschlagenen Weg auch zu Ende zu gehen. «Wenn die Gegenpartei auf unsere Vorschläge eingeht, organisieren wir die Übergabe. Erst wenn sichergestellt ist, dass die Männer sicher im Lager angekommen sind und wir nicht von Weißen verfolgt wurden, bringen wir die Frau an einen vorher vereinbarten Ort und lassen sie laufen.»
«Und was tun wir, wenn der Gouverneur und seine Häscher nicht mitspielen?» Cato hob eine Braue und schaute ihm ungerührt in die Augen.
«Dann … muss sie sterben», hörte Jess sich selbst sagen und hoffte gleichzeitig, dass es nie dazu kommen würde.
«Und wer vollstreckt dieses Urteil?»
Cato bedachte ihn mit einem süffisanten Grinsen, das die Antwort bereits enthielt. Jess erkannte die plötzliche Tragweite seiner Verantwortung und musste unwillkürlich schlucken.
«Ich», sagte er fest.
«Gut», resümierte Cato tonlos, wobei er ihm noch immer direkt in die Augen starrte. «Dann stehen wir nun vor der nicht besonders leichten Aufgabe, den Gouverneur davon zu überzeugen, für das Leben dieser Frau drei Männer freizulassen, die wegen Vorbereitung einer Rebellion angeklagt sind. Es käme einem Wunder gleich, wenn er darauf eingehen sollte. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Wobei man den Einfluss der Blakes wohl kaum unterschätzen darf. In jedem Fall würde ein Triumph unseren Anhängern Mut machen, weiter für die Freiheit aller Sklaven und ein neues Jamaika zu kämpfen.»
Mit untrüglicher Miene darüber, wie der Handel letztendlich ausgehen würde, erhob sich Cato und begann, in seiner nicht allzu großen Hütte auf und ab zuwandern. Dabei ließ er Jess nicht aus den Augen.
«Dein Vorschlag unterstützt meine Idee, unsere Interessen mit schärferen Mitteln zu verteidigen. Kaltblütigkeit und Entschlossenheit sind die einzigen wirksamen Waffen in diesem letzten großen Krieg gegen die Weißen. Womit ich keine offene Auseinandersetzung meine, sondern eher von einer Piratenstrategie spreche, die tödliche Angriffe aus dem Hinterhalt vorsieht, bis wir auch den letzten Backra vertrieben oder vernichtet haben.»
Cato war hinter Jess stehen geblieben und klopfte ihm väterlich auf die Schulter.
«Ich werde noch heute Nachmittag eine anonyme Depesche aufsetzen lassen, die dem Gouverneur und seinen Parlamentsabgeordneten ein Ultimatum stellt. In spätestens einer Woche erwarten wir die Freilassung der Männer. Sollte man unsere Forderung nicht erfüllen, wirst du der weißen Hure die Kehle durchschneiden.»
Jess begegnete Catos boshaftem Lächeln mit ausdrucksloser Miene. Allein der Gedanke, seine schöne Gefangene wie eine Ziege zu schächten, ließ ihn erschaudern. Er wollte verhindern, dass ihr auch nur ein Haar gekrümmt würde. Doch davon ließ er sich in Gegenwart seines Anführers nichts anmerken. Mit einem kaum merklichen Nicken bestätigte er Catos Befehl und schaute ihn durchdringend an.
«Und wer kümmert sich um die Geisel, bis es zum Austausch kommt? Immerhin ist sie ein außerordentlich wertvolles Unterpfand, das einer speziellen Betreuung bedarf», bemerkte Jess. «Ich meine, es muss sichergestellt sein, dass sie weder entkommt noch vorzeitig verstirbt.»
«Wer passt im Moment auf sie auf?»
«Baba», erklärte Jess mit gepresster Stimme. «Aber ich bin mir nicht sicher, ob sie sich ihrer Verantwortung bewusst ist.»
«Dann nehmen wir eben den Besten aus unserer Mitte», bestimmte Cato und schaute ihn kalt lächelnd an.
Jess hob eine Braue. «Wie soll ich das verstehen?»
«
Du
wirst ab sofort darauf achten, dass das Täubchen sicher in seinem Käfig sitzt und es ihm an nichts fehlt. Dafür werde ich dich bis auf weiteres von deinen Pflichten als Anführer der Krieger entbinden», erklärte Cato. Und dann fügte er in vertrauensvollem Ton hinzu: «Du hast vollkommen recht, die ganze Geschichte ist zu wichtig, als dass man die Geisel irgendwem überlassen könnte. Der Frau darf nichts zustoßen.» Er hielt inne,
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