Flammen Der Nacht -4-
nächste weitergegeben.«
»Wäre ich weiterhin als Journalistin tätig«, meinte Tasya zu Karen, »würde ich darüber garantiert eine Story schreiben.«
Zorana rieb mit ihrem Daumen über den Türkis. »Das ist ein Stück vom Himmel.« Dann streichelte sie den Obsidian. »Der hier ist ein Fenster in die Nacht.«
Karen strich mit der Fingerspitze über den Rand des Steins. »Autsch!« Sie zog die Hand zurück und untersuchte ihren Finger. »Hab ich mich doch glatt geschnitten. «
»Obsidian ist vulkanisches Gestein, die Ränder können ähnlich scharf sein wie Skalpelle«, erklärte ihr Ann.
»Der hier ist eine gefrorene Flamme.« Zorana reichte Karen den rubinroten Stein.
Karen hielt ihn ins Licht. Der Stein funkelte tiefrot
mit einem Stich ins Blaue. Sie japste auf. »Ist das ein echter Rubin?«
»Der größte, den ich je gesehen hab«, murmelte Tasya andächtig.
Zorana wog den unscheinbaren, grob bearbeiteten weißen Stein in ihrer Handfläche. »Der hier ist der beste von allen. Das ist die Reinheit.«
»Woraus ist der?«, wollte Tasya wissen.
»Reinheit«, plapperte Aleksandr ungeduldig nach. Er sammelte die vier Steine ein – blauer Himmel, schwarze Nacht, rote Flamme und unbefleckte Reinheit – und reihte sie vor sich auf. Während er Wort für Wort wiederholte, was seine Großmutter soeben erläutert hatte, legte er sie zurück in deren Hand.
Als der vierte, der weiße Stein ihre Haut berührte, stockte Zorana das Herz. Sie besann sich auf ihre eigene Prophezeiung, die spontan in ihrem Kopf echote …
Ein Kind kann das Unmögliche vollbringen. Oder die geliebte Familie wird durch Verrat zerstört … und in die Flammen springen.
Sie schauderte.
Als sie die Vision gehabt hatte, begriff niemand, was das bedeuten könnte, aber dann hatten sich die Teile nach und nach zu einem stimmigen Ganzen gefügt. Wieder hörte sie die Stimme in ihrem Kopf …
Ein Kind kann das Unmögliche vollbringen. Oder die geliebte Familie wird durch Verrat zerstört … und in die Flammen springen.
Sie wusste nicht, was das zu bedeuten hatte – war Aleksandr das Kind? Sie würde es bald erfahren, dachte
sie. Sie konnte nur hoffen, dass niemand von ihrer geliebten Familie zu Tode kam, bevor der Pakt hinfällig war, und wenn, dann lieber sie als Konstantine. Lieber sie als einer von den anderen. Sie wollte sich gern opfern für ihre Kinder, deren Partner, für Aleksandr und für Konstantine.
»Granny.« Aleksandr schüttelte sie sanft. » Aleksandr will Schätze haben.«
Ohne dass es ihr bewusst war, hielt Zorana die Steine die ganze Zeit fest mit ihren Fäusten umschlossen.
Sie schaute heimlich in die Runde.
Ihre Schwiegertöchter lachten und schwatzten und hatten anscheinend nichts bemerkt. Umso besser. Sie sollten sich die kurze Auszeit weder von dem Pakt noch von dem drohenden Kampf und den drängenden Sorgen überschatten lassen.
Zorana schob sich Käsehäppchen in den Mund, nippte ab und zu an ihrem Weinglas und beobachtete dabei Aleksandr, der Karen eben zum dritten Mal erklärte, was es mit den Steinen auf sich hatte. »Er erinnert mich an Adrik, als der in seinem Alter war. Adrik war sehr konzentriert und aufgeweckt«, bekannte sie.
Ihre Schwiegertöchter tauschten vielsagende Blicke aus.
Tasya meinte sanft: »Aleksandr ist Firebirds Sohn, und wir haben ihn alle ins Herz geschlossen. Trotzdem ist er nicht mit Adrik, Jasha oder Rurik verwandt.«
Zorana sah von Tasya zu Aleksandr. Ihr Blick hing an dessen Lippen, weil er eben seine Geschichte zu den Steinen wiederholte. Merkwürdig, dachte sie, seine
Stimme hatte frappierende Ähnlichkeit mit der ihrer Söhne, als sie klein gewesen waren und Geschichten um die Steine erfunden hatten.
Sie fuhr unversehens von ihrem Heuballen hoch. »Das stimmt nicht. Aleksandr ist mein Enkel.«
»Mama?« Ann warf ihre wärmende Mohairdecke beiseite und sprang ebenfalls auf. »Meinst du …«
»Aleksandrs Vater ist mein Sohn.« Die Erkenntnis brach Zorana das Herz und gab ihr gleichzeitig neue Hoffnung. »Und Firebird versprach Aleksandr, ihn herzuholen.«
27
D rei Stunden nach seinem Telefongespräch mit Vadim klingelte Dougs Handy.
»Doug? Hier ist Gloria, unten vom »When You Are Wicked«-Diner. Hören Sie, ich stör Sie ungern um diese Uhrzeit, aber im Ort laufen ein paar verdammt üble Typen rum. Die Alarmanlage im Restaurant ist ausgefallen, und der Sheriff rief bei mir an, dass ich mich schleunigst darum kümmern soll. Er wurde auf den Highway 101 zu einem
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