Flammen der Rache
wurde Zeit, dass er seinen Hintern wieder in Bewegung setzte, da die Hintern der anderen ebenfalls noch in Aktion waren. Trotzdem folgte sein Blick weiter dem Käfer, der eifrig ein Hindernis nach dem anderen in seinem Weg überwand. Er kletterte auf das verrottete Stück Holz, das Bruno in zwei Teile getreten hatte, dann hielt er oben an der scharfen Kante, wo das poröse Holz zersplittert war, inne. Es war an der Außenseite mit Erde verkrustet und an der Innenseite rötlich verfärbt.
Was für ein hübscher Käfer. So schillernd und kraftvoll. Bruno beobachtete ihn fast liebevoll. Er musste völlig durchgeknallt sein, wenn er jetzt schon Insekten bewunderte. Aber vierzehn Stunden lang Knochen auszugraben konnte unberechenbare Auswirkungen auf einen Menschen haben. Zumindest war der Käfer am Leben.
Er war versucht, den kleinen Kerl aufzuheben und Kev zu fragen, was für eine Käferart das war, aber das wäre dumm und völlig irrelevant gewesen, und es hätte den McClouds bloß einen weiteren Grund gegeben, ihn niederzumachen. Davon hatte er für diesen Tag genug.
Er bückte sich, um einen letzten Blick auf den Käfer zu werfen – und da sah er es.
Wie ein schmutziges Stück Schnur hing es aus einer Spalte an der Seite des Holzblocks. Man hätte es mit einem toten Grashalm verwechseln können, aber der wäre in einem schrägen Winkel abgestanden. Das hier hing einfach gerade nach unten.
Wie eine feine Metallkette.
Bruno stupste den Käfer vorsichtig von seinem Hochsitz, damit er die Finger in den porösen Riss schieben konnte. Er krabbelte hektisch davon, dann drehte er sich zu Bruno um und fuchtelte aufgebracht mit seinen Scheren.
»Entschuldige«, murmelte Bruno. Stochernd, kratzend und pulend arbeitete er sich mit vor Kälte steifen Fingern weiter vor … bis das verrottete Holz schließlich nachgab und er einen faserigen Klumpen in der Hand hielt.
Das Medaillon seiner Mutter war darin eingebettet.
Er wagte nicht zu atmen, während er es anstarrte, als fürchtete er, es könnte in einer Staubwolke verpuffen. Aber es war kalt, hart und solide. Erde hatte sich in den feinen Reliefarbeiten des Anhängers abgesetzt, aber ansonsten sah er intakt aus.
Er schaute runter zu dem Käfer, der ihn noch immer beobachtete und mit seinen Scheren und Vorderbeinen gestikulierte. Voller Entrüstung.
Ihm traten wieder die Tränen in die Augen. »Danke, kleiner Freund«, flüsterte er.
Bruno stand auf und ging zu der Stelle, wo Sean und Kev arbeiteten. Er versuchte, sie zu rufen, aber seine Stimme war belegt, weil er so aufgewühlt war.
Kev schaute zu ihm rüber. Seine Augen wurden groß, als sie sich auf Brunos ausgestreckte Hand fokussierten, in der das Medaillon lag. »Du hast es gefunden.«
Er und Sean kamen zu ihm und musterten das Objekt in seiner Hand. Kevs schlammbespritzte Miene war sichtlich besorgt, als er seine Schulter drückte. »Alles okay?«
»Jetzt schon«, krächzte Bruno. »Es klemmte in einem Spalt in diesem Holzblock fest. Ein Käfer hat mich hingeführt.« Das klang völlig bescheuert, aber das war ihm scheißegal.
»Darf ich?« Sean ließ seine Hand über Brunos schweben und wartete auf dessen Erlaubnis.
Bruno nickte.
Sean nahm das Medaillon und inspizierte es von allen Seiten. Dann versuchte er, es zu öffnen.
»Es wurde verschweißt, aber hier sind Scharniere«, bemerkte er. »Wir könnten es mit meinem Messer aufstemmen.«
Sie kauerten sich vor die schwarze Plastikplane, auf der die Skelette lagen. Zögernd nahm Bruno Seans Messer entgegen. Es widerstrebte ihm, das kostbare Medaillon gewaltsam aufzubrechen, aber sein Kopf würde zerspringen, wenn er sich bis zum nächsten Tag gedulden müsste, um es zu öffnen. Seine Mutter würde es verstehen. Immerhin war Ungeduld einer ihrer typischen Charakterzüge gewesen.
Er kniff die Augen im Dämmerlicht konzentriert zusammen und schob die Messerspitze in die Ritze zwischen den beiden winzigen Scharnieren, bis sie nicht mehr zu sehen war. Er benutzte die Klinge als Hebel, und schließlich …
Klack
, der Deckel löste sich. Ein formloses dunkles Bündel fiel auf die Plane. Bruno sah sich die Innenseiten der beiden Hälften an. In ihnen war nur schwarzer Schimmel. Sonst nichts.
Bruno steckte die filigranen Einzelteile des goldenen Medaillons in die Tasche seiner Jeans, dann beugte er sich vor und stupste das kleine Bündel mit der Messerspitze an. Die Oberseite bestand aus irgendeinem faserigen, flaumigen Material. Die Unterseite war mit einer
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