Flammen der Rache
drinnen mit dir darüber sprechen?«
Sie knallte die Tür zu. Die Kette klirrte, dann ging die Tür wieder auf.
Bruno trat an ihr vorbei in ein Haus, an das er so gut wie keine Erinnerung hatte. Großmutter Pina hatte ihn und seine Mutter nicht oft zu sich eingeladen. Brunos pure Existenz war ein Ärgernis für sie. Die lebende Erinnerung, wie sehr ihre Tochter sie enttäuscht hatte. Zudem hatte er ein Talent dafür, Dinge zu zerbrechen.
Das Wohnzimmer war überfrachtet mit Plüschmöbeln, die mit schimmernden Plastikplanen abgedeckt waren.
Auf einem gläsernen Couchtisch standen kleine Figürchen aus Kristall und Blumenskulpturen aus Keramik. Bilder von Kätzchen, Blumen, Sonnenuntergängen und Seelandschaften zierten die Wände. Alles war blitzsauber. Tot und einbalsamiert.
Mit Märtyrermiene gestikulierte sie zur Couch.
»Nein, danke, ich stehe lieber«, sagte er. »Es wird nicht lange dauern. Ich wollte dich nur fragen, was nach dem Tod meiner Mutter aus ihren Sachen geworden ist.«
Pina fühlte sich auf den Schlips getreten. »Damit kommst du nach all den Jahren an? Ich hatte keine Ahnung, dass du irgendetwas von dem Krempel haben wolltest! Ich weiß nicht, was du mir unterstellen willst, aber ganz gewiss hatte ich nie die Absicht …«
»Ich unterstelle dir gar nichts«, unterbrach er ihren Redeschwall. »Ich habe mich nur gefragt, ob du die Sachen hast oder weißt, wer sie entsorgt hat.«
»Nun, ich bin sie danach durchgegangen und habe einige Dinge an mich genommen, die ohnehin mir gehörten und die ich zurückhaben wollte! Der größte Teil war Müll. Nichts davon besaß auch nur den geringsten Wert! Einfach armselig!«
Bruno lockerte die Fäuste und bemühte sich, ruhig zu sprechen. »Ich bin auf der Suche nach etwas ganz Bestimmtem. Erinnerst du dich an eine antike Schmuckschatulle? Sie stammte von Großvaters Seite der Familie. Sie gehörte ursprünglich seiner Mutter, damals, in der alten Heimat. Mama hatte sie, als ich ein Kind war. Sie war etwa so groß …« Er deutete mit den Händen den Umriss an. »Und mit Perlmutt verziert.«
Großmutter Pina zuckte verärgert die Schultern. »Ich erinnere mich nicht, aber du kannst die Kisten gern durchsuchen. Auch wenn nicht viel darin ist.«
»Danke«, sagte er. »Ich weiß das zu schätzen.«
Pina führte ihn durch das klinisch saubere Haus und in eine sterile weiße Küche, welche mit gerahmten Kreuzstichstickereien dekoriert war, die Blumen, Lämmer, Häschen und Bibelverse wiedergaben. Sie öffnete eine Tür und knipste einen Lichtschalter an, dann zögerte sie, als wäre es ihr unheimlich, mit Bruno in einen dunklen Keller hinabzusteigen.
Er seufzte. »Ich finde den Weg allein, wenn dir das lieber ist«, bot er ihr an. »Sag mir nur, welche Kisten es sind. Du kannst vom Treppenabsatz hier oben darauf deuten.«
Sie presste die Lippen aufeinander. »Nein, ich werde sie dir zeigen.«
Er folgte ihr nach unten. Der Keller wurde nur von einer einzigen Glühbirne erhellt und war mit Kisten vollgestopft. Sie ging ihm voraus zwischen Türmen aus Gerümpel hindurch in eine halbdunkle Ecke. Dort lagerten auf einer Holzpalette ein paar ramponierte, staubbedeckte Pappkartons. Ein Sicherheitsabstand von mehreren Metern trennte sie von den anderen, als wären sie kontaminiert.
Pina deutete mit dem Kinn darauf. »Nur zu.«
»Danke«, murmelte Bruno. Sein Magen flatterte unangenehm, als er das Packband auf der obersten berührte. Seine Großmutter stand einfach nur da und beobachtete ihn mit essigsaurer Miene.
»Wenn du etwas anderes zu tun hast, kannst du mich auch gern allein lassen. Du musst nicht bleiben.«
Sie rümpfte die Nase. »Das kommt nicht infrage.«
Ach, scheiß drauf. Bruno zog das Packband ab.
Küchenutensilien. Eine Espressokanne, Tassen, Töpfe und Pfannen. Ein Salz- und Pfefferstreuer-Set aus Keramik, mit dem er als Kind gespielt hatte. Ein Schäfer samt Schäferin. Der Hirtenstab des Schäfers und die Haube der Schäferin waren abgebrochen. Seine Schuld. Ein Nudelsieb. Teller. Bruno arbeitete sich bis zum Boden vor, um sicherzugehen, dass sich die Schatulle nicht doch irgendwo verbarg.
Alles, was er berührte, löste eine Flut von Erinnerungen aus. Er versuchte, sie einzudämmen und abzublocken, aber beim Anblick der Plastikteller, der Saftgläser, auf denen Woody Woodpecker und Wile E. Coyote prangten, und des Lieblingskaffeebechers seiner Mutter schnürte es ihm die Kehle zu. Er dachte an die gemeinsamen Frühstücke mit ihr. An
Weitere Kostenlose Bücher