Flammen der Rache
Zimttoast, Müsli und Rühreier. An ihre Neckereien, ihr Lachen.
Als Nächstes kam ihre Kleidung, und das war genauso schlimm. Dieser Pulli, diese Bluse, dieses Nachthemd. Licht strömte in einen Bereich seines Bewusstsein, den er seit achtzehn Jahren nicht mehr angerührt hatte. Bruno erinnerte sich an jedes einzelne Stück. Er kannte seine derzeitige Garderobe nicht annähernd so gut, wie er ihre verinnerlicht hatte.
Er hielt ihr purpurfarbenes Nachthemd vor sein Gesicht, in der Hoffnung, den Duft ihres Parfüms einzufangen, aber er hatte sich längst verflüchtigt. Es roch nur noch muffig.
»Es waren diese nichtsnutzigen Kerle, mit denen sie sich eingelassen hat.« Die Worte schossen aus Großmutter Pinas Mund, als stünde sie unter Hochdruck, als wartete sie seit achtzehn Jahren darauf, sie jemandem ins Gesicht zu schleudern. »Sie waren ihr Ruin. Den Anfang machte dein Vater, und von da an ging es nur noch bergab.«
Das weckte Brunos Neugier. »Hast du ihn gekannt? Wer war er?«
Sie schnaubte. »Er hat sich davongemacht, noch bevor man ihr die Schwangerschaft angesehen hat. Sie hat so viel für dich aufgegeben. Ihre ganze Zukunftsperspektive.«
Bruno schnappte sich eine andere Kiste. Fotoalben. Er schlug eines auf. Babyaufnahmen von ihm. Auf einem Bild war seine Mutter, die den kleinen Bruno im Arm hielt und wunderhübsch und glücklich aussah. Ihm kamen spontan die Tränen, darum schlug er es hastig zu. Nicht jetzt.
Er kniff seine feuchten Augen zu und tastete den Karton ab, um sich zu vergewissern, dass sich nirgendwo etwas verbarg, das die Größe eines Schmuckkästchens hatte. Fehlanzeige.
»Ich habe sie gewarnt.« Pinas Stimme bebte vor Zorn. »Ich weiß nicht mehr, wie oft ich ihr gesagt habe, dass dieser Rudy gefährlicher Abschaum ist, aber sie wollte einfach nicht auf mich hören. Dieses dumme Mädchen. Sie hat es sich selbst eingebrockt.«
»Wir werden das nicht weiter erörtern«, sagte er. »Das Thema ist tabu.«
Etwas in seiner Stimme ließ sie einen Schritt zurückweichen. »Wage es nicht, mir zu drohen.«
»Rede du nicht schlecht über meine Mutter. Wenn du bleiben willst, während ich diese Kisten durchstöbere, von mir aus. Solange du den Mund hältst.«
Bruno wandte sich wieder von ihr ab. Sollte sie ihn ruhig mit Blicken töten.
Er arbeitete sich durch die Kartons, doch mit jedem weiteren wurde seine Hoffnung geringer. Als er zum letzten kam, war sie ganz erloschen. In der Kiste befand sich ein Sammelsurium von Büchern, Zeitschriften und allem möglichen Krimskrams. Dinge, bei denen er sich nicht erklären konnte, wieso seine Großmutter sie überhaupt eingepackt hatte. Es waren sogar ein paar seiner alten Actionfiguren darunter. Und zu allem Übel auch noch Rudys kleine Messingpfeife, mit der er Haschisch und Crack geraucht hatte. Umschläge, Zeitschriftenabonnements, Nebenkostenabrechnungen, Mahnungen. Drohschreiben von Inkassobüros mit roten Stempeln darauf. Er suchte mit den Händen den Boden der Kiste ab. Keine Schmuckschatulle.
Er konnte unmöglich vor Großmutter Pina heulen, aber er hatte so sehr auf einen Durchbruch gehofft. »Das waren alle?« Die Frage erübrigte sich, aber sie sprudelte trotzdem aus ihm heraus.
»Ja. Vielleicht wurde dein Schmuckkästchen zusammen mit dem Müll entsorgt.«
Bruno hatte Mühe, keine Grimasse zu schneiden. »Du hättest sie mitgenommen, wenn sie unter ihren Sachen gewesen wäre«, sagte er. »Sie war ganz eindeutig kein Müll.«
»Dann wurde sie von euren verkommenen Nachbarn gestohlen. Oder von Rudy. Wahrscheinlich hat er sie versetzt, um Drogen zu kaufen.«
»Ja, das könnte sein.« Bruno verharrte einen Moment in einem Zustand absoluter Verzweiflung. Er wollte sich auf den Boden legen und eins werden mit dem kalten Beton. Nur noch ein dunkler Fettfleck. Aber die Not trieb ihn wieder zum Handeln. Er beugte sich noch einmal über die letzte Kiste und durchwühlte sie. Da musste doch irgendetwas sein. Ein Hinweis, ein Anhaltspunkt. Er fischte die Post heraus. Die Rechnungen und Kreditkartenwerbungen. Die Schreiben vom Schulpsychiater, in denen es um sein schlechtes Betragen ging.
Dann blieb sein Blick an einem dicken Umschlag hängen, der nicht an Magdalena Ranieri, sondern an Anthony Ranieri adressiert war. Er betrachtete ihn in dem trüben Licht. Er stammte vom amtlichen Leichenbeschauer. »Was ist das?«
Großmutter Pina blinzelte über ihre Brille hinweg. »Ach das. Das ist der Bericht des Leichenbeschauers über die
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