Flammen der Rache
Obduktion deiner Mutter. Tony hat dort angerufen und eine Kopie verlangt.«
»Wirklich?« Seine Stimme zitterte leicht. »Wieso?«
Pina winkte ab. »Er hatte den merkwürdigen Wunsch geäußert, eine Auflistung sämtlicher Verletzungen zu bekommen, die ihr zugefügt worden waren. Um zu wissen, was er den Kerlen antun musste, die sie auf dem Gewissen hatten. Du weißt ja, wie er veranlagt war. Schrecklich gewalttätig. Aber dann sind er und seine geistig minderbemittelte Schwester mit dir zurück nach Portland gefahren, bevor der Bericht eintraf. Sie hatten die absurde Idee, du könntest in Gefahr schweben. Sie waren verrückt, alle beide.«
»Ja.« Bruno dachte an Rudys Schnappmesser. »Verrückt.«
»Also musste ich mich am Ende damit auseinandersetzen.« Pina deutete mit Leidensmiene auf den Umschlag. »Obwohl ich doch um jeden Preis vergessen wollte.«
»Ach, ich weiß nicht«, murmelte Bruno, die Augen noch immer auf den Umschlag fixiert. »Ich denke, das hast du ganz gut hinbekommen. Das mit dem Vergessen, meine ich.«
Sie richtete sich empört auf. »Ich war am Boden zerstört! Mein einziges Kind!«
»Ja, ja. Du warst so sehr in Trauer, dass du den Umschlag nicht einmal geöffnet hast.«
»Wie hätte ich das tun können?« Tränen glitzerten in ihren Augenwinkeln. »Wie sollte ich das ertragen?«
Bruno riss den Umschlag auf und zog ein einzelnes Blatt Papier heraus. Er wusste selbst nicht, warum, aber es kam ihm respektlos seiner Mutter gegenüber vor, dass diese offizielle Auflistung ihrer tödlichen Wunden achtzehn Jahre lang ignoriert worden war. Niemand hatte sich genug für sie interessiert, um diesen Umschlag zu öffnen. Sie war an diesen Verletzungen gestorben, also sollte er den Bericht wenigstens lesen.
Es war hart. Die leidenschaftslosen medizinischen Formulierungen schafften keine Distanz. Er kam nicht dagegen an, sich die Szene vorzustellen, wie es dazu gekommen war. Er sah das Blut, hörte die Schläge, die Schreie.
Um sich den letzten Rest seiner geistigen Gesundheit zu bewahren, wollte er das Papier schon wieder in den Umschlag stecken, als ihm ein Satz ins Auge stach.
…
gut verheilte Operationsnarbe über reseziertem linken Eierstock
… Ihr war der linke Eierstock entfernt worden? Eigenartig. Bruno las es noch einmal. Doch. Einer ihrer Eierstöcke fehlte. Und »gut verheilte Operationsnarbe« deutete darauf hin, dass das vor ihrem gewaltsamen Tod geschehen war.
»Weißt du irgendetwas darüber, dass meiner Mutter ein Eierstock herausgenommen wurde?«
Pina sah ihn mit heller Entrüstung an. »Wie bitte?«
Bruno hielt den Bericht hoch. »Hier steht, dass ihr linker Eierstock entfernt wurde. Chirurgisch. Was könnte der Grund dafür gewesen sein? Zysten? Ein Tumor?«
»Ich weiß davon nichts«, schnaubte sie. »Vielleicht hat sie sich bei einem ihrer Kerle eine Geschlechtskrankheit geholt. So etwas passiert Frauen wie ihr.«
Bruno hätte es besser wissen müssen, als seiner Großmutter eine vernünftige Frage zu stellen. Sie war wie ein verstopftes Abwasserrohr. Wann immer sie den Mund aufmachte, kam Abscheuliches heraus.
Oben läutete das Telefon. Pina wandte den Kopf um, unübersehbar hin- und hergerissen zwischen ihrem Wunsch ranzugehen und ihrem Widerwillen, ihren zwielichtigen Enkel unbeaufsichtigt in ihrem Keller zu lassen.
»Geh ruhig ran«, drängte Bruno sie. »Ich bin fast fertig. Ich verspreche, dass ich keinen Unsinn anstelle.«
Sie schnaubte abermals, dann eilte sie die Treppe hoch. Bruno war froh, als sie weg war. Seine Anspannung war auch ohne ihre Gegenwart schon groß genug.
Er wandte sich wieder dem Obduktionsbericht zu und las weiter.
28
Liegst du ihm am Herzen?
Die Frage echote durch Lilys Kopf. Sie trank einen Schluck Kaffee.
Lüge
.
»Nein, ich liege ihm nicht am Herzen. Es geht nur um Sex.«
Ihrem widerspenstigen Ich purzelten die Worte einfach so aus dem Mund. Direkt danach überwältigte sie die panische Angst, damit gerade ihr eigenes Todesurteil unterschrieben zu haben. Ein langsamer, blutiger, von Schreien begleiteter Tod.
Aber King lächelte. »Ach, Lily, das ist nicht wahr.«
Sie schüttelte vehement den Kopf. »Ich kenne ihn gerade mal seit … wie lange? Eine Woche? Die Hälfte davon bestand aus physischem Kontakt. Meines Wissens schläft er auch noch mit anderen Frauen. Er hat einen großen Verschleiß und würde jedes weibliche Wesen nageln, das einen Puls hat. Er sieht gut aus. Wer könnte es ihm verübeln?«
»Oh, niemand, meine
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