Flammen der Rache
Schutzbrillen, Kopfhörer, Geräte …
Die Erinnerung schlug ihre Krallen in sein Fleisch. Bruno kannte diesen Raum. Er bedeutete Verzweiflung. Er fiel auf die Knie und stützte sich würgend an der Tür ab.
Lily legte ihre Hand auf seinen Arm. »… so leid! Ich habe nicht darüber nachgedacht, welche Wirkung das auf dich haben würde, wegen deiner Erinnerungen. Gott, es tut mir so leid, ich habe nicht …«
»Sei still.« Er riss sich von ihr los und stolperte in das Zimmer, ohne ihre ängstlichen Worte zu beachten. Er starrte auf das erste Bett. Ein dunkelhäutiger, hochgewachsener, sehniger, muskulöser Junge. Festgeschnallt, um Stunden der Folter zu erleiden, genau wie Bruno früher.
Er nahm dem Jungen die Kopfhörer und die Schutzbrille ab, dann entfernte er die Sensoren. Er hing an einer Infusion. Bruno klemmte sie ab, zog die Kanüle heraus und ließ den Schlauch einfach baumeln, sodass das Gift auf den Boden tropfte. Er löste die Fesseln und tätschelte das Gesicht des Jungen: »Hey! Du! Wach auf!«
Die Augen des Jungen flatterten auf und weiteten sich. Er schoss mit einem Ruck hoch und stieß einen Schrei aus. Bruno hielt ihn fest, während er um sich schlug und trat.
»Es ist gut, es ist alles gut«, murmelte er beruhigend. »Du musst von hier fliehen, Junge. Kannst du laufen?«
Aus dem Augenwinkel sah er, dass Lily das Mädchen im Bett daneben befreite. Er half dem Jungen von der Pritsche und schob ihn in Richtung Tür. Der Teenager schwankte und strauchelte.
»Verlass das Gebäude!«, befahl er ihm. »Los jetzt!«
Der Junge blinzelte ihn hilflos an. »Beweg dich! Lauf!«, blaffte Bruno. Er gab dem Jungen eine Ohrfeige und hasste sich selbst dafür. Aber es funktionierte. Er drehte sich um und sprintete den Flur hinunter.
Einige der anderen kamen schneller zur Besinnung. Manche schrien und kämpften, als sie die Augen öffneten. Bruno stoppte bei dem Bett, an dem Lily stand. Sie presste die Hand auf den Mund, und Tränen strömten ihr übers Gesicht. Das Mädchen lag völlig bewegungslos da. Die Wirbelsäule war gekrümmt, der Kopf in einem unnatürlichen Winkel verdreht. Lily hatte ihm die Brille abgenommen, und die großen dunklen Augen des Mädchens starrten blicklos ins Leere.
Bruno fasste an ihre Halsschlagader. Kein Puls.
Kommentarlos drängte er sich an Lily vorbei und ging zum nächsten Bett.
Es dauerte nur ein paar Minuten, die Kinder von ihren Fesseln zu befreien. Das letzte Mädchen war ebenfalls tot. Acht von zehn hatten überlebt, sechs von ihnen waren schon aus der Tür. Bruno schickte gerade die letzten beiden hinaus, als eine vertraute tiefe Stimme sein Blut in Eiskristalle verwandelte.
»Nun sieh mal einer an, du ungezogener Junge.«
Bruno schob die Kinder hinter sich. Lily schnappte hörbar nach Luft und drängte sich mit dem Rücken an die Wand.
King trat ins Zimmer und richtete einen Revolver auf Brunos Brust.
Es war viel zu gut gelaufen, um wahr zu sein. Lily hatte das gewusst, seit sie aus ihrer Zelle entkommen war. Sie hatte nicht an eine Rettungsaktion gedacht, als sie Bruno dieses Zimmer gezeigt hatte, aber sie hätte ahnen müssen, wie er reagieren würde, wenn er diese Kinder sah. Er war nun mal ein Mensch, der in solch einer Situation handelte.
Und jetzt waren sie geliefert.
King musterte sie mit einem warmen Lächeln. »Danke, meine Liebe, dass du ihn zu mir gebracht hast. Deine Macht über ihn ist tatsächlich so groß, wie du behauptet hast. Trotz allem konntest du ihn ein weiteres Mal davon überzeugen, dir zu vertrauen!« Er sah zu Bruno und gestikulierte mit der Waffe. »Wir hatten eine Wette laufen, musst du wissen. Lily war sicher, dass du ihren Verführungskünsten zum Opfer fallen würdest. Ich hingegen habe auf deine Intelligenz, deinen Zynismus gesetzt. Immerhin bist du mein Sohn. Ich habe verloren, aber ich werde die Strafe genießen, die sie mir auferlegt. Heute Nacht.« Er zwinkerte ihm schelmisch zu. »Wenn wir allein sind.«
Lily schaute von King zu Bruno und zurück zu King. Sie war völlig verwirrt. »Ich habe …
was
gewettet? Aber ich … aber er …« Sie wandte sich Bruno zu. »Du bist sein
Sohn
?«
Brunos starre, freudlose Miene verriet die Wahrheit. Und da fing sie an, die Puzzleteile zusammenzusetzen.
Das Spiel ist aus
.
Du musst nicht mehr so tun, als ob
.
Er glaubte, dass sie ihn … großer Gott, nein … dass sie ihn
verraten
hatte?
King redete noch immer auf Bruno ein. »Mittwoch ist unser Tag für das Nahkampf-DeepWeave
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