Flammen des Himmels
Wiedertäufer ihre Anliegen vortragen wollten.
Lothar gesellte sich zu ihnen und richtete sich auf eine längere Wartezeit ein. Dabei wanderten seine Gedanken zu Frauke. Tatsächlich freute er sich, sie wiedergetroffen zu haben. Sie wirkte anders auf ihn als andere Mädchen und war auch nicht so albern wie seine Schwester. Außerdem war sie mutig wie kaum eine Zweite.
Sehr hübsch ist sie außerdem, dachte er und lächelte. Mit einem Mal bedauerte er es, als Frau verkleidet nach Münster gekommen zu sein, denn zu gerne hätte er sich Frauke so gezeigt, wie er wirklich war. Doch es durfte niemand von seiner Verkleidung erfahren, und das galt leider auch für sie.
Einige Männer wurden sofort ins Haus geführt, anderen wiederum wurde von den Wachen befohlen, gefälligst zu warten, bis die Herren bereit wären, sie zu empfangen. Lothar merkte rasch, dass vor allem jene Wiedertäufer, die aus Holland oder Friesland stammten, bevorzugt eingelassen wurden. Einige einheimische Mitglieder der Sekte murrten schließlich darüber.
»Es ist wegen diesem Bockelson«, sagte ein Mann in Lothars Nähe. »Der Mann bildet sich Wunder was ein, wer er ist, nur weil unser Prophet Jan Matthys ihn persönlich getauft und zu seinem Boten ernannt hat.«
»Sei still, Gresbeck!«, wies ihn ein anderer zurecht. »Jan van Leiden mag es nicht, wenn man über ihn lästert. Außerdem hat Matthys ihn auserwählt, vergiss das nicht.«
»Der ist auch so ein Holländer«, brummte Heinrich Gresbeck, schwieg dann aber verbissen.
Die Mittagszeit war bereits vorbei, als Lothar endlich ins Haus gelassen wurde. Ein Mann führte ihn in eine Kammer. Auf dem Weg dorthin erblickte er durch die offene Tür der Nebenkammer die Anführer der Wiedertäufer, die sich zu beraten schienen, und spitzte die Ohren. Doch er konnte nur Wortfetzen aufschnappen. Auf jeden Fall ging es darum, die Stadt auf eine Belagerung vorzubereiten. Also war wohl jede Hoffnung auf eine friedliche Lösung vergebens.
Erneut musste Lothar warten. Dann steckte ein Mann den Kopf zur Tür herein und fragte: »Was führt dich hierher?«
»Ich bin eine arme Witwe und nach Münster gekommen, weil hier das himmlische Jerusalem eintreffen wird. Nun aber habe ich kein Dach über dem Kopf und weiß nicht, wie ich mich ernähren soll.«
Lothar spielte seine Rolle ausgezeichnet, und im Raum war es nicht hell genug, dass der andere ihn genau mustern konnte.
Der Mann wiegte den Kopf. »Wenn du einen neuen Ehemann suchst, wird es schwierig werden. Es sind bereits mehr Frauen als Männer in der Stadt.«
»Ich will keinen Mann«, wehrte Lothar ab. »Mir reicht ein kleines Kämmerchen oder Häuschen, in dem ich leben kann.«
»Da wird sich etwas finden lassen. Kommst du gut mit anderen Weibern aus?« Ein fragender Blick traf Lothar.
Dieser schüttelte den Kopf. »Ich bin lieber für mich allein, Herr.«
»Dann wüsste ich eine Hütte an der Stadtmauer für dich. Anderen ist sie zu schlecht, doch wenn du nicht mit einer Gruppe Frauen zusammenleben willst, musst du dich damit begnügen.«
»Ich danke Euch, mein Herr!« Lothar deutete einen ungelenken Knicks an und ließ sich von einem Stadtknecht hinausführen. Im Flur kamen ihm zwei junge Männer entgegen. Als das Licht der in einer Nische brennenden Lampe auf sie fiel, zuckte er erschrocken zusammen. Es waren Faustus und Isidor, die Studenten, mit denen er während seines Studiums aneinandergeraten war.
Lothar fragte sich, was die beiden hier suchten, und begriff, dass die Anwesenheit seiner alten Feinde für ihn noch gefährlicher werden konnte als Frauke. Mit dem Mädchen konnte er vielleicht noch reden. Aber wenn die beiden ihn erkannten, würden die Wiedertäufer ihn als Spion über die Klinge springen lassen. Erneut überkam ihn das Gefühl, seiner Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Dann aber biss er die Zähne zusammen. Es gab keinen Zweiten, den sein Vater schicken konnte. Also musste er vorsichtig sein und gleichzeitig genug herausfinden, um den Vater und auch Franz von Waldeck zufriedenstellen zu können.
Vorher aber galt es, die Hütte zu beziehen, die man ihm zugewiesen hatte. Dann würde er sehr rasch kochen lernen müssen, wollte er nicht verhungern. Wenn er zu oft in einem Wirtshaus aß, würde er auffallen.
Mit einem leisen Lachen vertrieb er seine Unsicherheit und folgte dem Stadtknecht bis kurz vor die Stadtmauer. Die Häuser hier waren weitaus kleiner als jene am Markt oder gar am Domplatz. Vor einer besonders schmalen
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