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Flammen des Himmels

Flammen des Himmels

Titel: Flammen des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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einschlafen konnte. Die Anspannung hielt ihn jedoch wach, und er zuckte bei jedem ungewohnten Geräusch zusammen. Zuletzt verspottete er sich selbst als Feigling, der seinem Auftrag nicht gewachsen war. Andererseits war Vorsicht wichtig, wenn er nicht entlarvt werden wollte.
    Während er sich Gedanken über seine nächsten Schritte machte, kamen die übrigen Weiber in die Kammer. »Die Neue schläft schon«, meinte eine.
    Eine andere schnaubte verärgert. »Es passt mir gar nicht, dass sie dort in der Ecke liegt. Wenn sie in der Nacht zum Abtritt muss, tritt sie womöglich auf eine von uns und weckt uns alle.«
    »Wenn sie das bei mir tut, kriegt sie Prügel«, erklärte eine handfest aussehende Frau mittleren Alters und schob den von ihr gewählten Strohsack so zur Seite, dass Lothar schon im Zickzack hätte gehen müssen, um sie zu treffen. Ungeniert zog sie ihr Kleid und ihr Hemd aus und trat nackt an die kleine Schüssel, die ihnen der Wirt zur Körperpflege hingestellt hatte.
    Lothar stellte sich zwar schlafend, beobachtete die Frauen jedoch unter hängenden Lidern. Trotz der Kälte zogen sich jetzt auch die anderen aus. Obwohl die meisten arg stämmig und nicht mehr die Jüngsten waren, schoss ihm das Blut in die Lenden, und er presste die Augen fest zu, um die nackten Frauen nicht länger ansehen zu müssen.
    Erst als die Geräusche ihm verrieten, dass sie alle unter die Decken gekrochen waren, wagte er wieder einen Blick. Es war zwar nichts mehr zu sehen, aber seine Phantasie gaukelte ihm immer noch nackte Leiber mit dicken Brüsten vor, die sich in einem bizarren Tanz um ihn herumbewegten. Nur mit viel Mühe gelang es ihm, seine Erregung niederzukämpfen. Eines aber war ihm sonnenklar: Er durfte es nicht darauf ankommen lassen, sich gemeinsam mit den Frauen waschen zu müssen.

7.
    A m nächsten Morgen stand Lothar lange vor allen anderen auf. Da er das Waschwasser, das die Frauen am Abend benützt hatten, nicht nehmen wollte, ging er zum Brunnen auf dem Hof und wusch sich dort Gesicht und Hände. Als er wieder in die Herberge zurückkehrte, stand die Wirtin bereits am Herd. Kaum entdeckte sie die angebliche Witwe, winkte sie diese auch schon zu sich.
    »Du kannst den Morgenbrei rühren, Lotte. Ich melke unterdessen unsere Kuh!«
    Schlechter für Lothar wäre es gewesen, hätte sie ihn zum Nähen oder Sticken aufgefordert. Doch auch das hier brachte ihn ins Schwitzen, denn er hatte noch nie einen Kochlöffel in der Hand gehalten. Mit dem Mut der Verzweiflung machte er sich ans Werk und merkte rasch, dass der Kessel überschwappte, wenn er zu heftig darin rührte. Bis die Wirtin zurückkehrte und ihm den Kochlöffel wieder abnahm, fühlte er sich nicht nur wegen der Hitze des Herdfeuers durchgeschwitzt. Zu seiner Erleichterung aber durfte er in der Schankstube Platz nehmen und erhielt auch sofort einen Napf voll Gerstenbrei und das Morgenbier.
    »Hast heute du rühren müssen?«, fragte ihn eine der Frauen, die in der gleichen Kammer geschlafen hatte.
    An diesem Morgen waren die Frauen gesprächiger als am Abend zuvor. Eine meinte, dass sie es am Vortag habe tun müssen, und eine andere lobte Lotte, weil der Brei nicht angebrannt sei. »Wo kommst du eigentlich her?«, fügte sie hinzu.
    Die Frage kam Lothar ungelegen, denn er konnte zwar das Latein der Gelehrten sprechen, im Deutschen aber beherrschte er nur den in dieser Gegend gebräuchlichen Dialekt. Da die Frauen fremd zu sein schienen, nannte er ein Dorf, das etwa zwei Tagesreisen zu Fuß entfernt war, und stellte sie damit zufrieden. Allerdings blieben sie neugierig, und so war er froh um das Lügengebäude, das er sich bereits im Vorfeld ausgedacht hatte. Er musste nur darauf achten, dass er sich nicht irgendwann selbst widersprach.
    Nach dem Frühstück sprachen sie ein Dankgebet. Danach drängte Lothar es nach draußen. »Ich werde jetzt Herrn Knipperdolling aufsuchen.«
    »Tu das!«, rief der Wirt ihm nach.
    Bevor er durch die Tür war, drangen noch ein paar Bemerkungen der Frauen über sich an sein Ohr.
    »Wie alt schätzt du die?«, fragte eine.
    »Sie muss älter sein, als sie aussieht, gewiss über dreißig«, meinte eine andere.
    »Hat sich aber gut gehalten!«, warf eine Dritte ein.
    »Ich aber auch!«, war das Letzte, das Lothar noch vernahm.
    Er schüttelte den Gedanken an die Frauen ab, eilte die Straße entlang zum Markt, bog dort um die Ecke und erkannte Knipperdollings Haus sogleich an der Menschenmenge, die den Anführern der

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