Flammen des Himmels
Hütte, die gerade so viel Garten besaß, wie sie selbst groß war, blieb der Stadtknecht stehen.
»Hier kannst du bleiben, Lotte. Wenn du was anderes haben willst, könnte ich mit Herrn Knipperdolling reden, dass er dafür sorgt.«
»Danke! Das Häuschen reicht mir vollkommen«, erklärte Lothar und trat ein.
Drinnen bereute er seine vorschnellen Worte, denn die Hütte stand schon länger leer und war bis auf den gemauerten Herd ausgeräumt. Es gab keinen Stuhl, keinen Tisch und keine Küchengeräte. Außerdem war der einfache Holzboden dick mit Staub und Laub bedeckt, die durch ein offenes Fenster hereingeweht worden waren.
»Und? Zufrieden?«, fragte der Stadtknecht mit einem gewissen Spott.
»Noch nicht ganz. Ich brauchte ein paar Sachen für den Haushalt. Wo könnte ich die bekommen?«
»Siehst du das grüne Haus mit der komischen Figur über dem Türsims? Dort haben Altgläubige gelebt, die die Stadt gestern verlassen mussten. Die Tür steht offen. Sieh zu, ob du noch was findest, was du brauchen kannst. Sonst musst du es dir auf andere Weise besorgen.«
Damit hatte der Stadtknecht für sein Empfinden den Auftrag erledigt und schritt, leise vor sich hin pfeifend, davon.
Lothar blickte ihm kurz nach und begab sich dann zu dem genannten Haus. Dort angekommen, sah er kurz zu der Figur hoch. Es musste ein katholischer Heiliger gewesen sein, aber welcher, war nicht mehr zu erkennen, denn man hatte ihm Kopf und Hände samt seinen Heiligenattributen abgeschlagen.
Warum mussten Menschen alles zerstören, was nicht in ihr enges Weltbild passte?, fragte Lothar sich kopfschüttelnd. Diese Figur hatte gewiss jemand frommen Herzens aufgestellt, damit sie das Haus und seine Bewohner beschützen sollte. Doch in der heutigen Zeit reichte der Schutz eines Heiligen nicht mehr aus.
Sein Weg führte Lothar zuerst in die Küche. Hier waren bereits Plünderer am Werk gewesen, doch fand er noch einen Kessel, eine Pfanne, ein paar Kochlöffel und einen Schöpfer, die den anderen wohl nicht gut genug gewesen waren. Diese Sachen trug er als Erstes zu seiner Hütte. Als Nächstes durchforstete er das grüne Haus nach brauchbaren Möbeln sowie einem Besen, den er am dringendsten benötigte. In einer kleinen Kammer direkt unter dem Dach wurde er schließlich fündig und nannte kurz darauf drei Stühle, einen Tisch und eine einfache Bettstatt mit Strohsack sein Eigen. Auch ein paar Kleider und die Wäsche, die er in einer Truhe fand, konnte er gut brauchen.
Die nächsten Stunden mühte Lothar sich, sein neues Heim zu säubern und wohnlich einzurichten. Als er damit fertig war, hatte sich bereits der Schleier der Nacht über die Stadt gelegt, und er fragte sich, wie er an ein Abendessen gelangen konnte. Die Mutter hatte immer eine Magd zum Markt geschickt, um die Lebensmittel einzukaufen, die der ihnen zinspflichtige Bauer in der Nähe von Telgte nicht für sie erzeugen konnte. Doch der Markt war längst geschlossen. Also musste er entweder in ein Wirtshaus gehen oder sich hungrig ins Bett legen.
Der Gedanke, dass er in einer Schenke wohl einiges über die Situation in der Stadt erfahren würde, brachte ihn dazu, seine Hütte zu verlassen. Diesmal wählte er einen anderen Gasthof als den, in dem er übernachtet hatte, setzte sich in ein Eckchen und sah sich den fragenden Blicken des Wirtes ausgesetzt.
»He, du da! Bist du vielleicht auch ohne Mann unterwegs und willst dein Leben durch Betteln oder noch Schlimmeres fristen?«
Erst jetzt wurde Lothar bewusst, dass Frauen nach Möglichkeit nie ohne männliche Begleitung unterwegs sein sollten, wenn sie nicht in Verdacht geraten wollten, Bettlerinnen oder gar Huren zu sein. Diesen Anschein durfte er auf keinen Fall erwecken. Daher faltete er die Hände und stimmte ein kurzes Gebet an, bevor er dem Wirt antwortete.
»Deine Worte stellen eine Beleidigung für mich dar! Ich bin eine fromme Witwe und weltlichem Tun abgeneigt.«
»Wenn dir weltliche Dinge so zuwider sind, hast du hier nichts verloren! Dann solltest du besser in die Kirche gehen und deinen Predigern zuhören«, knurrte der Wirt.
»Dies werde ich auch tun. Doch ich bin neu in der Stadt, und meine Speisetruhe ist leer. Daher wünsche ich etwas zu essen.«
»Es geht also doch nicht ganz ohne weltliche Dinge! Kannst du bezahlen?«
Lothar nickte und nestelte wieder seinen Geldbeutel vom Gürtel, in dem sich ein paar kleinere Münzen befanden. Zusätzlich führte er eine ansehnliche Summe unter seiner Kleidung versteckt
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