Flammen des Himmels
Priester?«, fragte Gardner, ohne sich wirklich für Brackenstein zu interessieren.
Dieser lachte kurz auf. »Am liebsten wäre ich der Erbe meines Oheims und der nächste Reichsgraf Brackenstein. Doch bis dorthin ist es noch ein weiter Weg.«
Den du wahrscheinlich nie bewältigen wirst, dachte Gardner. Doch das war nicht sein Problem. Anders sah es mit Münster aus. Gardner war auf das Gut gekommen, um noch einmal mit seinem Sohn zu sprechen und diesem einzuschärfen, ja vorsichtig zu sein. Doch Lothar hatte sich bereits auf den Weg nach Münster gemacht. Nun sorgte er sich mehr um seinen Sohn, als er es sich hatte vorstellen können. Lothar trug zwar einen klugen Kopf auf den Schultern, war aber alles andere als ein Herkules.
Der Gedanke, dass er dem Jungen möglicherweise zu viel aufgebürdet hatte, fraß sich in Gardner fest. Daher war er froh, als er Brackenstein beim Wein zurücklassen und seinen Vetter Leander von Haberkamp aufsuchen konnte, der die Gesellschaft des Hauptmanns tunlichst gemieden hatte.
Haberkamp wartete im Erkerzimmer auf ihn, weit entfernt von unbefugten Lauschern. Seine Miene wirkte ebenfalls besorgt, als er Gardner begrüßte und ihm mit eigener Hand einen Becher Wein einschenkte.
»Ich würde mich freuen, könnte ich Euch zu einer besseren Zeit willkommen heißen, mein Freund«, begann er.
»Es wird wieder bessere Zeiten geben«, erklärte Gardner, ohne wirklich daran zu glauben.
»Möge Gott es geben!«
Gardner war jedoch nicht gekommen, um sich die Bedenken seines Verwandten anzuhören, sondern steuerte geradewegs auf sein Ziel zu. »Ist es Lothar gelungen, sich in Münster einzuschleichen?«
»Das ist es ihm, allerdings anders, als Ihr es Euch vielleicht gedacht habt. Er hat die Stadt in der Verkleidung einer armen Frau betreten.«
»Er hat was?« Gardner glaubte, nicht recht zu hören.
»Ich wollte es ihm ausreden, aber es war unmöglich«, berichtete Haberkamp.
»Aber …« Gardner brach ab, als er sich daran erinnerte, wie oft Lothar sich von seinen Freunden hatte anhören müssen, wie ein Mädchen auszusehen. Selbst seine Kommilitonen auf der Universität hatten dies getan. Trotzdem war es etwas anderes, als Mädchen beschimpft zu werden, denn als Frau aufzutreten.
»Ist der Junge verrückt geworden?«, fragte er entgeistert.
Haberkamp schüttelte lächelnd den Kopf. »Das glaube ich nicht. Auf alle Fälle befindet er sich jetzt in Münster. Ich konnte ihn gestern sehen, als ich dort in Verkleidung eines Bauern mehrere Sack Korn verkauft habe. Er schien recht guter Dinge zu sein.«
»Konntet Ihr mit ihm sprechen?«, fragte Gardner angespannt.
»Nein, leider nicht. Ich glaube nicht einmal, dass er mich erkannt hat, und ich wollte auch nicht den Eindruck erwecken, etwas mit ihm zu tun zu haben.«
Haberkamp wollte fortfahren, doch da hob Gardner die Hand. »Ihr sagt, Ihr seid selbst in der Stadt gewesen, wenn auch verkleidet. Lassen die Ketzer wirklich jeden nach Münster?«
»Nein, das tun sie freilich nicht«, antwortete sein Freund. »Allerdings wollen sie den Winter überstehen, um Ostern die Erscheinung des Herrn feiern zu können. Da es aber bereits den ganzen Sommer über Spannungen gab, sind die Speicher der Stadt weniger gut gefüllt als in früheren Jahren. Knipperdolling und die anderen Bürger, die es mit den Wiedertäufern halten, kaufen daher jedes Korn Getreide, das man ihnen anbietet, und zahlen dafür einen guten Preis.«
»Versorgt Ihr sie etwa?«, fragte Gardner empört.
Sein Vetter winkte lachend ab. »Natürlich nicht. Die drei Säcke habe ich gestern nur verkauft, weil ich feststellen wollte, ob ein als Frau verkleideter Spion gefasst worden sei. Doch wie es aussieht, ist Euer Lothar zu schlau für die Büttel in der Stadt.«
»Wollen wir hoffen, dass es dabei bleibt!« Gardner atmete tief durch und überlegte. »Was Euch gelungen ist, müsste auch mir gelingen. Ich werde mich morgen ebenfalls in einen Bauern verwandeln und Korn in der Stadt verkaufen.«
»Davon würde ich Euch abraten, mein Freund. Ihr sprecht, wie der Ratgeber eines hohen Herrn sprechen muss. Ich hingegen kann wie ein Bauer fluchen und verhandeln.«
»Das kann ich auch. Oder glaubt Ihr, ich habe mein ganzes Leben an Franz von Waldecks Hof oder dem eines anderen Herrn von Stand verbracht?« Gardner hatte sich entschlossen, die Stadt aufzusuchen, und ließ sich nicht davon abhalten.
Haberkamp wiegte bedenklich den Kopf. »Wenn die Ketzer Euch erkennen, verfügen sie über
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