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Flammen des Himmels

Flammen des Himmels

Titel: Flammen des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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einen Stüver!«
    Erleichtert drückte Gardner ihm die Münze in die Hand und schwang die Peitsche. Der magere Gaul stemmte sich gegen das Kummet und zog den Wagen an. Während er das Tor passierte, betrat Arno die Wachstube und schrieb in das Wachbuch »Kunner, Bauer aus Vadrup mit einer Fuhre Kohl«. Dann trat er wieder hinaus, um den nächsten Wagen zu kontrollieren.
    Gardner fuhr in die Stadt ein und erreichte nach kurzer Zeit den Marktplatz. Ein Aufseher kam auf ihn zu, forderte die Marktabgabe und wies ihm einen Platz zu, an dem er seine Kohlköpfe verkaufen konnte. Dann hieß es für Gardner warten. Frauen kamen vorbei, griffen in seine Kohlköpfe und schacherten um den Preis, als gelte es der eigenen Seligkeit. Um nicht dadurch Aufsehen zu erregen, dass er sein Gemüse zu billig verkaufte, feilschte Gardner mit und war in Gedanken seinem Vetter Haberkamp dankbar, dass dieser ihm zu den Kohlköpfen geraten hatte. Jedes Verkaufsgespräch schenkte ihm mehr Zeit, die er hierbleiben konnte.
    Nach einer Weile trat eine junge Frau auf ihn zu und fragte nach dem Preis für die drei Kohlköpfe. Gardner zuckte zusammen und musterte sie möglichst unauffällig. Das war doch eines der Mädchen, die der Inquisitor auf dem Scheiterhaufen hatte verbrennen lassen wollen! Laut Gerwardsborns Aussage hatte ein Teufel ihre Mutter, ihre Schwester und sie befreit. Anscheinend war sie hierher geflohen und hoffte wohl auch, durch die Wiederkehr Jesu Christi von allen Bedrängern errettet zu werden.
    Seine Annahme, hier in Münster wären vor allem Aufrührer und falsche Propheten zusammengelaufen, geriet ins Wanken. Laut dem, was er von Thaddäus Sterken über Hinner Hinrichs erfahren hatte, war dieser ein guter Handwerker gewesen und niemals als Ketzer aufgefallen. Jetzt fange ich auch noch an, Mitleid mit diesen Menschen zu haben, die durch ihre Taten das ganze Land in Unruhe versetzen, schalt er sich selbst.
    »Zwei Pfennige dazu, sonst gibt es keinen Kohl«, schnauzte er Frauke an, begnügte sich dann aber doch mit einem. Noch während er dem Mädchen nachschaute und sich sagte, dass es wahrlich hübsch war, trat eine neue Kundin auf seinen Wagen zu.
    »Kannst du mir einen Kohlkopf oder zwei verkaufen?«, fragte sie.
    »Ich habe sie nicht mitgebracht, um sie wieder mit nach Hause zu nehmen«, antwortete Gardner mit einem gekünstelten Lachen.
    Die Frau lächelte. »Das habe ich auch nicht angenommen.«
    Für einen Augenblick klang ihre Stimme anders, männlicher, und Gardner musste an sich halten, um nicht zusammenzuzucken. »Da bist du ja, du Narr«, flüsterte er seinem Sohn zu.
    »Ich könnte auch drei kaufen! Der hier gefällt mir ganz besonders.« Dabei ergriff Lothar einen der Kohlköpfe und hielt ihn seinem Vater vor die Nase. Aus den Augenwinkeln beobachtete er einen der Holländer, die mit Bockelson nach Münster gekommen waren und nun als dessen Ohren und Augen in der Stadt dienten.
    »Von mir aus auch vier«, ging Gardner auf das Spiel ein, da ihm der Holländer ebenfalls aufgefallen war. Zum Glück verlor dieser das Interesse an ihnen und ging weiter. Trotzdem blieben sowohl Gardner wie auch sein Sohn vorsichtig.
    »Hast du etwas erfahren?«, fragte der Vater leise, um dann laut drei Stüver für sein Gemüse zu verlangen.
    »Ich gebe dir zwei und einen Pfennig«, bot sein Sohn an und kramte in seinem Beutel. »Die meisten Katholiken sind bereits vertrieben worden. Jetzt wollen die Täufer auch die Lutheraner loswerden.«
    Gardner musste die Ohren spitzen, um ihn zu verstehen. »Können die Lutheraner sich denn nicht gegen diese Leute zusammentun und sie zum Teufel jagen?«, fragte er dann fast ein wenig zu laut.
    Lothar schüttelte den Kopf. »Dein Kohl ist mir zu teuer! So viel Geld habe ich nicht.«
    Zunächst begriff Gardner nicht, was sein Sohn damit sagen wollte. Dann aber wurde ihm klar, dass nach dessen Meinung keine Aussicht auf einen Aufstand der Lutheraner gegen die Wiedertäufer bestand.
    »Hm, wenn du meinst! Trotzdem will ich mein Gemüse nicht wieder mit nach Hause nehmen. Du kannst drei Kohlköpfe haben!« Da sich wieder jemand näherte, führte er das Verkaufsgespräch fort.
    »Vorhin war noch von vier Kohlköpfen die Rede«, widersprach Lothar.
    So ging es eine ganze Weile, bis Gardner schließlich die Summe akzeptierte, die sein Sohn ihm bot. Zwischen ihrem lautstarken Handel hatte Lothar ihm seine ersten Eindrücke über die Lage in Münster mitgeteilt und ihm erklärt, dass die Wiedertäufer noch

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