Flammen des Himmels
dass Wein mit Verstand genossen werden will.«
»Das hoffe ich auch!« Frauke lächelte ihn an und fragte ihn, ob sie kochen sollte. »Weißt du, es ist auch wegen meines Bruders. Er wird gewiss Hunger bekommen.«
Der Gedanke, wieder mal etwas Richtiges zu essen zu bekommen und nicht das, was er selbst zustande brachte, hatte für Lothar etwas Verführerisches an sich. Nicht weniger verführerisch erschien ihm der Gedanke, Frauke länger bei sich zu haben. Auch wenn er von ihr als Frau nichts wollte …
Noch während er es dachte, korrigierte er sich. Er verspürte durchaus den Wunsch, Frauke in die Arme zu nehmen und zu küssen. Auch gegen mehr hätte er nichts einzuwenden. Doch es sollte in allen Ehren geschehen, denn als Hure zu dienen, war sie ihm zu schade. Dies hieß jedoch, dass sich seine Sehnsucht nach ihr nicht erfüllen konnte, denn sein Vater würde sie niemals als Schwiegertochter akzeptieren.
Diese Überlegung veranlasste Lothar beinahe, das Mädchen wegzuschicken. Er brachte es jedoch nicht übers Herz und bat sie, an den Herd zu gehen.
Während Frauke kochte und ein verführerischer Duft durch die Hütte zog, unterhielten sie sich über belanglose Dinge. Beide sahen immer wieder zu Helm hin, der allmählich unruhig wurde, und ihre Gedanken wanderten zu den Kerlen, die ihn vergewaltigt und hinterher in den Schnee geworfen hatten.
»Wie können Menschen so etwas tun?«, fragte Frauke schließlich und kämpfte gegen die Tränen an.
»Genauso kann man fragen, weshalb Menschen einander umbringen, wo wir doch alle Kinder Gottes sind«, antwortete Lothar nachdenklich.
Bevor sie das Thema vertiefen konnten, ertönte draußen die Klingel des Ausrufers. Fast gleichzeitig hörten sie eine barsche Stimme, die alle aufforderte, aus dem Haus zu treten, um zu hören, was der Prophet und seine Berater beschlossen hatten.
Frauke stellte den Topf so neben die Flamme, dass er vor sich hin köcheln konnte, ohne anzubrennen, und sah Lothar fragend an. »Sollen wir hingehen?«
»Ich würde es uns raten, wenn wir nicht wollen, dass Knipperdolling seine Bluthunde schickt oder gleich in eigener Gestalt erscheint.« Lothar schob seinen Dolch unter sein Kleid, warf das Schultertuch über und ging zur Tür. Frauke folgte ihm mit einer Miene, die deutlich anzeigte, dass sie sich an jeden anderen Ort der Welt wünschte als an diesen hier.
Auch aus den anderen Häusern traten die Bewohner und starrten verwundert auf den Ausrufer, der zu aller Überraschung von einem Dutzend Söldner unter Arnos Kommando begleitet wurde. Der Ausrufer schwang noch mehrmals seine Glocke und sah sich um.
»Sind alle versammelt?«, fragte er den Ältesten der in diesem Stadtviertel wohnenden Täufer.
Dieser warf einen prüfenden Blick über die versammelte Menge und nickte. »Ich glaube schon. Du hast auch oft genug geläutet!«
»Das musste so sein«, ergriff nun Arno das Wort. Er stemmte sich auf sein langes Schlachtschwert und zog eine grimmige Miene, bevor er weitersprach.
»Im Namen unseres von Gott bestimmten Propheten Johannes Matthys und des Rates der Stadt Münster ergeht folgende Anordnung: Ab sofort haben die Bewohner der Stadt alle Nahrungsmittel an die Beauftragten des Propheten zu übergeben, auf dass dieser sie gerecht unter den hier lebenden Menschen verteilt. Wer Vorräte welcher Art auch immer zurückhält und sie nicht der Allgemeinheit überlässt, wird mit dem Tode bestraft.«
Ein Aufstöhnen erfolgte, und die Einwohner sanken auf die Knie, um zu beten. Frauke und Lothar erwarteten, dass sich zumindest unter den oft recht streitbaren Frauen Widerspruch regen würde. Doch mittlerweile waren die Menschen viel zu verängstigt, um sich gegen die neuen Herren zu stellen. Diejenigen, die sich aus vollem Herzen den Täufern angeschlossen hatten, nahmen den Befehl ihres Propheten als von Gott gegeben hin. Einige von ihnen eilten sofort in ihre Häuser, schleppten Krüge mit Schmalz, Mehl und anderen Lebensmitteln heraus und stellten sie vor Arno und dessen Männern auf den Boden.
Arno nickte zufrieden. »Bringt alles, was ihr habt, bis auf das, was ihr heute noch essen wollt, ins Gildehaus. Ab morgen werden euch die Lebensmittel nach der Zahl der Köpfe zugeteilt, die der jeweilige Haushalt zählt.«
»Ich sollte nach Hause gehen und zusehen, was dort gerade geschieht«, raunte Frauke Lothar zu.
Dieser nickte geistesabwesend, während er darüber nachdachte, was er tun sollte. Er hatte sich in den letzten Wochen einen
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