Flammen des Himmels
Gehör fand, war Maria von Habsburgs Gesandter, doch dieser sah nur dann Hoffnung auf Erfolg, wenn sich die Belagerung von Münster noch über viele Monate hinzog und Franz von Waldeck und seinen Verbündeten der Preis dafür zu hoch wurde.
Als Magister Rübsam eintrat, grübelte Gerwardsborn gerade darüber, wie er das Pendel zu seinen Gunsten ausschlagen lassen konnte. Daher fühlte er sich von seinem Untergebenen gestört und warf ihm einen strafenden Blick zu.
Rübsam entging nicht, dass der Inquisitor schlecht gelaunt war, und wusste, dass ihm schnell etwas einfallen musste. »Ich bitte Euch, mir die Störung zu verzeihen, Euer Exzellenz. Doch ich fürchte, einer Verschwörung gegen Euch auf der Spur zu sein.«
»Einer Verschwörung?«, fragte Gerwardsborn erschrocken.
Ein Mann wie er, der den Willen des Himmels vollstreckte, hatte viele Feinde, die dem Teufel ihr Ohr liehen. Franz von Waldeck war nur einer von ihnen. Zudem hatte dieser sich mit Philipp von Hessen zusammengetan, einem elenden Ketzer, der ebenfalls den Tod auf dem Scheiterhaufen verdient hätte.
»Berichte!«, forderte er Rübsam auf.
»Vor einiger Zeit ist Dionys verschwunden. Zuerst dachte ich, er hätte uns verlassen, weil er sich Euren Zorn zugezogen hat. Doch heute wurde mir gemeldet, dass sein Leichnam aus der Aa gezogen worden ist.«
Gerwardsborn sah den Magister erstaunt an. »Dionys ist tot? Aber was hat das mit einer Verschwörung zu tun?«
»Dionys war einer Eurer Knechte, und wer ihn umgebracht hat, ist auch Euer Feind. Wer weiß, ob im Dunklen nicht bereits die Meuchelmörder lauern, um auch Euch zu ermorden.«
Zwar besaß Rübsam nicht den geringsten Beweis für diesen Verdacht, doch darauf kam es weder ihm noch dem Inquisitor an.
Gerwardsborn war klar, dass seine Anwesenheit in Telgte etlichen Herren ein Dorn im Auge war, und einen Augenblick lang überlegte er, ob er nicht doch nach Rom reisen und Seiner Heiligkeit berichten sollte, wie untreu die Bewohner dieser Landstriche dem geheiligten katholischen Glauben geworden waren. Dann aber verhärtete sich seine Miene. Seine persönliche Furcht durfte ihn nicht daran hindern, das zu tun, was notwendig war.
Entschlossen legte er Rübsam den rechten Arm um die Schulter. »Halte die Augen offen und sage auch den anderen, dass sie achtgeben sollen. Der Herr im Himmel hat uns durch den Tod meines unwürdigsten Knechts gewarnt und diesen für sein Versagen mit den drei Ketzerweibern bestraft.«
Magister Rübsam sah aus, als wäre ihm die sofortige Abreise nach Rom weitaus lieber. Doch er nickte und sagte sich, dass etliche Ketzer und jene, die mit dem Gift der Häresie in Berührung gekommen waren, für seine Angst würden zahlen müssen.
Siebter Teil
Der König von Neu-Jerusalem
1.
D ie Menge wartete bereits seit Stunden. Allmählich wurden die Gebete, die zuerst voller Inbrunst gesprochen worden waren, leiser, und so mancher bange Blick richtete sich auf das Podest, auf dem Jan Matthys, der sich nun als Prophet Henoch bezeichnete, mit seinen Getreuen Platz genommen hatte. Matthys’ Miene verriet Unsicherheit, aber auch Zorn, weil Jesus Christus es wagte, nicht zu der von ihm vorhergesagten Stunde zu erscheinen.
Frauke befand sich ebenso wie die anderen seit dem frühen Morgen auf dem Platz und sprach die Gebete mit, so als gehöre sie tatsächlich dazu. Neben ihr standen Lothar und ihre Geschwister, denn es gab nichts, was diese bei ihren Eltern hielt.
Hinner Hinrichs kümmerte sich auch an diesem Tag nicht um sie, sondern wartete mit einem gewissen Bangen auf die Wiederkehr Christi. Immerhin war er mit zwei Frauen gleichzeitig verheiratet, und dies mochte dem Heiland missfallen. Katrijn hingegen blickte hoffnungsfroh in die Zukunft. Jesus Christus würde ihr die Schönheit verleihen, nach der sie sich so sehr sehnte, und ihr einen Mann geben, von dem ebenfalls die irdische Hülle abgefallen war. Ob dies nun ihr verstorbener Gatte oder Hinrichs war, interessierte sie im Augenblick wenig.
Inken Hinrichs’ Gedanken waren ganz anderer Natur. Zum einen erflehte sie in ihrem Gebet neben der Wiederkehr Christi auch die ihres Sohnes Haug, und zum andern spürte sie immer stärker das Kind in ihrem Leib. Es kam ihr wie eine Last vor, die Gott ihr auferlegt hatte, um die ewige Seligkeit zu erlangen. An diesem Tag, so sagte sie sich, würde er sie davon befreien. Daher wartete sie voller Hoffnung auf die Erscheinung Christi und ihre Errettung aus diesem Erdenleben, das ihr so
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