Flammen des Himmels
können. Doch an dem westfälischen Sturkopf, wie er Steding für sich nannte, prallten seine Argumente ab.
Nun neigte der Kommandeur kurz das Haupt und wies auf das Portal. »Ich bitte um Verzeihung, Eure Exzellenz, doch ich muss meine Truppen inspizieren, um zu sehen, ob alles für einen Sturm, wie Ihr ihn Euch wünscht, vorbereitet ist.«
Er ging und ließ Gerwardsborn wie einen dummen Jungen stehen.
Wuterfüllt starrte der Inquisitor hinter ihm her und ballte die Fäuste. »Auch du wirst dich noch vor der Macht Gottes und der meinen beugen!«, stieß er hervor und begab sich auf die Suche nach einem anderen Opfer, das er in seinem Sinne beeinflussen konnte.
Anstelle eines der anderen Hauptleute erschien Emmerich von Brackenstein und verbeugte sich geziert vor ihm. »Erteilt mir Euren Segen, Euer Exzellenz, denn laut Franz von Waldecks Befehl muss ich mich zu meinem Fähnlein begeben und soll es beim Sturm auf die Stadt anführen.«
Im ersten Moment ärgerte Gerwardsborn sich, weil der Fürstbischof den einzigen Mann, der in seinem Sinne sprach, aus Telgte fortschickte. Dann aber erkannte er die Vorteile, die er daraus ziehen konnte, und legte dem Edelmann mit einer scheinbar freundschaftlichen Geste den Arm um die Schulter.
»Gott leitet all unsere Schritte, mein Sohn. Franz von Waldeck mag glauben, aus eigenem Willen zu handeln, doch ist es die Vorsehung, die ihn dazu gebracht hat, Euch zu Euren Soldaten zu schicken. Ihr seid zum Werkzeug des Herrn auserkoren, die Häresie in Münster mit eisernem Besen auszukehren. Sagt es Euren Landsknechten und den anderen Hauptleuten, dass Gott der Herr sich mit nichts weniger zufriedengibt als mit dem Tod aller Ketzer in der Stadt.«
»Wirklich aller? Auch der Weiber? Aber das will der Fürstbischof doch gar nicht!«, rief Brackenstein entsetzt aus.
Gerwardsborn schüttelte insgeheim den Kopf über die Dummheit des jungen Mannes, zog ihn aber verschwörerisch zu sich heran. »Der Wille Gottes wiegt schwerer als der eines Menschen, sei es auch ein König oder Fürstbischof.«
»Das … aber … Wenn Ihr meint.« Emmerich von Brackenstein beschloss, den Weg des geringsten Widerstands einzuschlagen. Daher versprach er Gerwardsborn, mit aller Härte gegen die Ketzer vorzugehen, und jammerte gleichzeitig darüber, dass der Fürstbischof ihn aus Telgte weggeschickt hatte.
Gerwardsborn hörte ihm noch eine Weile zu, bestätigte ihn in der Meinung, ungerecht behandelt worden zu sein, und forderte ihn auf, von Kriegslager zu Kriegslager zu reiten und mit den Hauptleuten der anderen Fähnlein zu sprechen.
»Ihr erwerbt Euch im Himmel einen Platz direkt neben Jesus Christus, wenn Ihr die Feinde des Glaubens von dieser Erde tilgt«, erklärte er nachdrücklich, war aber froh, als der redselige Herr weiterging, um seine Abreise vorzubereiten.
Brackenstein kam es so vor, als müsse er statt weniger Meilen die hundertfache Zahl bewältigen. Vor allem ärgerte er sich, weil der Fürstbischof ihm die geforderten Fuhrwerke für sein Gepäck mit dem Argument verweigert hatte, diese würden gebraucht, um Kriegsmaterial zu transportieren. Dabei war nach Brackensteins Ansicht nichts wichtiger als sein persönliches Wohl.
Kaum war der Edelmann außer Sicht, hatte Gerwardsborn ihn auch schon wieder vergessen, denn er dachte intensiv darüber nach, wie er seinen Einfluss auf die vor Münster stehenden Truppen vergrößern könnte. Nach einer Weile begriff er, dass er wohl selbst die Söldner- und Reiterlager aufsuchen musste, um den Hauptleuten dort ins Gewissen zu reden. Die Ketzerei im Reich konnte nur beendet werden, wenn er ein Fanal entzündete, dessen Feuerschein bis in die entferntesten Winkel der Welt drang. Münster war der Anfang. Als Nächsten würde er sich Landgraf Philipp von Hessen vornehmen, und dann kam Wittenberg, die größte Brutstätte der Ketzerei. Wenn Martin Luther sein Leben auf dem Scheiterhaufen ausgehaucht hatte, würde mit diesem Mann auch die nach ihm benannte Irrlehre ins Grab sinken.
»Münster ist erst der Beginn«, sagte Jacobus von Gerwardsborn zu sich selbst und suchte Magister Rübsam und Bruder Cosmas auf, um sie anzuweisen, alles für den Ritt zum nächstgelegenen Landsknechtslager vorzubereiten.
5.
I n Lothars Augen war nach Jan Matthys’ Tod eine große Chance vergeben worden, die Wiedertäufer in Münster unter Kontrolle zu bekommen. Da er sich nicht mehr mit seiner passiven Rolle begnügen wollte, sprach er in den nächsten Tagen mehrere
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