Flammen des Himmels
können.«
Fraukes Empörung wuchs, doch ihre Schwester legte den Zeigefinger an den Mund. »So etwas darfst du nicht sagen, wenn du nicht Bockelson und die Seinen erzürnen willst. Vergiss nicht, sie besitzen alle Macht über uns!«
»… und missbrauchen sie zu ihrem Vorteil«, setzte Frauke Silkes letzten Satz fort.
Sie wusste jedoch, dass ihre Schwester recht hatte. Bockelson, Knipperdolling, Kibbenbrock und deren Anhang beherrschten die Wiedertäufer, weil diese sie für die Erwählten des Himmels hielten. Wahrscheinlich, dachte sie, würde Bockelson sogar eine Erklärung dafür finden, weshalb Gott ihm verbot, so karg zu leben wie die Menschen, die er ins Himmelreich führen sollte.
»Ich werde den Mund halten«, versprach sie Silke.
»Hoffentlich!« Die Schwester erinnerte sich zu gut daran, dass Frauke sehr oft zur unrechten Zeit mit einer Frage oder einer Bemerkung herausgeplatzt war und damit die Eltern und andere Täufer verärgert hatte. Sie konnte nur hoffen, dass ihre Schwester mittlerweile klug genug war, ihr vorlautes Mundwerk im Zaum zu halten.
Während Frauke beim Arbeiten weitergrübelte, vernahm sie mit einem Mal Stimmen, die aus dem Nebenzimmer zu ihr drangen. Bald wurde ihr klar, dass sich dort Bockelson und andere Täuferführer aufhielten.
»… müssen vorbereitet sein, wenn sie stürmen«, sagte Jan van Leiden gerade.
»Wir sind vorbereitet!«, erklärte Knipperdolling. »Ich habe jeden Mann in der Stadt unter Waffen gestellt. Sollte dieser Römerknecht Waldeck stürmen lassen, wird er eine üble Überraschung erleben.«
»Das mag sein«, mischte sich ein weiterer Mann ein, der Heinrich Krechting sein musste. »Aber auf Dauer können wir der Belagerung nicht standhalten. Dafür reichen weder unsere Vorräte an Schießpulver noch unsere Nahrungsmittel aus.«
Frauke fand es empörend, dass dem Mann das Schießpulver wichtiger schien als das Essen für die Menschen. Mit halber Kraft arbeitete sie weiter und spitzte die Ohren.
Gerade klang Jan Bockelsons Stimme erneut auf. »Ich habe Boten bestimmt, die sich an unseren Belagerern vorbeischleichen werden, um unsere Brüder in Holland, Friesland und anderen Landen aufzufordern, zu uns zu eilen und mit uns das neue Jerusalem zu errichten. Sobald sie hier sind, werden wir stark genug sein, um die jämmerlichen Truppen, die Franz von Waldeck aufbieten kann, mit einem einzigen Schlag zu vernichten!«
»Möge Gott es geben!«, rief Krechting aus.
»Ich habe es gesehen!«, wies Bockelson ihn zurecht.
»Ich ebenfalls«, sprang Dusentschuer seinem Anführer bei.
»Das mag sein«, gab Krechting zurück. »Trotzdem haben wir im Augenblick noch den Feind vor den Toren, und er schiebt seine Schanzen mit jedem Tag näher an die Ludgeripforte heran. Wenn er das Tor einnehmen kann, bevor wir Verstärkung aus anderen Gebieten erhalten, wird es ein hartes Ringen.«
»Das wir mit Gottes Hilfe siegreich bestehen werden. Wir sind die Erwählten Gottes und von seinem Geist erfüllt! Uns schrecken weder die Landsknechte des Bischofs noch die Flüche des Papstes. Und was die Nahrung betrifft, so wird Gott, unser Herr, eher Manna vom Himmel regnen als uns hungern lassen!« Das war Johann Dusentschuer, und er schien wirklich zu glauben, was er sagte.
Frauke schüttelte sich bei dem Gedanken, die Belagerung könnte andauern und die Lebensmittel noch knapper werden. Doch da forderte ein Themenwechsel im Nebenraum ihre Aufmerksamkeit.
»Ich empfinde die vielen alleinstehenden Frauen in der Stadt als ein größeres Problem als unsere Feinde«, erklärte Knipperdolling. »Auf einen Mann kommen bereits mehr als drei Weiber. Das wird noch zu Unfrieden führen.«
»Ich werde beten und Gott anflehen, mir Erleuchtung zu geben«, versprach Bockelson und erhielt ein Lachen zur Antwort.
»So kurz vor der Hochzeit werden Eure Gedanken wohl anderen Dingen gelten als dem Gebet!« Knipperdolling sprach Bockelson auf einmal an wie einen hohen Herrn. Der Mann war Frauke nie sympathisch gewesen, doch nun fürchtete und hasste sie ihn gleichermaßen.
»Gott hat mir die Obsorge über sein Volk aufgetragen, und ich werde diese nicht versäumen, nur um der Lust zu frönen«, klang Bockelsons Stimme auf. »Doch nun kommt! Ich habe befohlen, das Mahl zu dieser Stunde aufzutragen. Möge der Heiland es uns segnen.«
»Amen!«, scholl es aus mehreren Mündern zurück. Es war das letzte Wort, das Frauke vernahm. Aber sie hatte das Gefühl, etwas erfahren zu haben, was für Lothar
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