Flammen des Himmels
zitterte bei diesen Worten, denn sie hatte nur ein Ziel, nämlich Lothar über den Mordplan gegen Franz von Waldeck zu informieren.
Silke kontrollierte die Fenster, nickte zufrieden und tätschelte Fraukes Schulter. »Das hast du gut gemacht. Geh jetzt in die Küche und lass dir etwas zu essen geben. Dann kannst du nach Hause gehen.«
»Und du? Kommst du nicht mit?«, fragte Frauke.
»Meine Herrin wünscht meine Dienste auch in der Nacht.«
Frauke konnte nicht herausfinden, ob es ihrer Schwester gefiel, die Zofe einer anderen Frau zu werden, sagte sich aber, dass ihr Zuhause nicht so anheimelnd war, dass man sich dorthin zurücksehnte.
»Wann soll ich morgen wiederkommen?«
»Zur dritten Morgenstunde!« Silke erklärte ihrer Schwester noch, wo sie Eimer und Lappen abstellen konnte, und begleitete sie in die Küche. Anders als am Mittag saßen die meisten Mägde und Knechte nicht herum, sondern arbeiteten am Herd oder in der Vorratskammer. Als Silke die Köchin ansprach und etwas zu essen für ihre Schwester forderte, wies die Frau auf die Tür des Kellers.
»Sie soll sich etwas holen und mitnehmen. Wir haben jetzt keine Zeit, uns um sie zu kümmern. Der große Prophet empfängt heute die Apostel unserer Gemeinschaft, um die weitere Verteidigung gegen die Gottlosen zu beraten. Daher müssen wir auftischen, was die Vorratskammern hergeben.«
Frauke fand es abscheulich, dass der Prophet und seine Stellvertreter üppig tafelten, während den meisten Menschen in Münster das Essen nur knapp zugeteilt wurde. Dies hinderte sie jedoch nicht daran, sich im Vorratskeller ausgiebig zu bedienen. Sie steckte sogar ein paar kleinere Würste unter ihr Kleid, um sie Lothar mitzubringen. Als sie wieder die Treppen hinaufstieg, klopfte ihr Herz vor Aufregung, man könnte sie ertappen. Doch es kümmerte sich niemand um sie. Auch Silke war fort und wurde, wie eine befehlsgewohnte Stimme Frauke verriet, von ihrer neuen Herrin dazu angetrieben, ihr beim Ankleiden zu helfen. So, wie Gertrude van Utrecht sich benahm, hätte sie eine Dame von Adel sein können und nicht die Frau eines schlichten Täuferführers. Doch das, so sagte Frauke sich, war Jan Bockelson van Leiden schon längst nicht mehr.
Auf dem Weg zu Lothar dachte sie an Hille Feicken und deren Absicht, den Fürstbischof zu ermorden, und hoffte, dass es nicht zu spät sein würde, diesen zu warnen. Daher platzte sie in die Hütte und fasste Lothar am Ärmel.
»Rasch, du musst eine Botschaft schreiben und sie so schnell wie möglich deinem Vater zukommen lassen!«
»Was ist denn los?«
»Es ist ein Anschlag auf Franz von Waldeck geplant.« Frauke berichtete alles, was sie in Bockelsons Haus darüber gehört hatte.
Lothar hörte ihr aufmerksam zu und schüttelte schließlich den Kopf. »Du sagst, diese Friesin will zu Waldeck? Aber die Landsknechte bringen doch jeden um, den sie vor der Stadt erwischen!«
»Anscheinend nicht mehr! Bockelson sagte, dass die Männer des Bischofs die Fliehenden nun am Leben lassen, um von ihnen zu erfahren, wie es in der Stadt steht. Darauf baut Hille Feickens Plan auf. Sie hofft, zum Bischof geführt zu werden, um ihn töten zu können, wie einst Judith den Holofernes. Nach Bockelsons Worten kann Franz von Waldeck einer schönen Frau nicht widerstehen, und diese Friesin ist eine sehr schöne Frau.«
»Es ist nicht gut, wenn ein Mann gezwungen wird, sein Lebtag lang ledig zu bleiben, wie es die römische Kirche von ihren Priestern, Mönchen und anderen Würdenträgern verlangt. Es verleitet diese nur, den Weibern anderer Männer nachzustellen oder sich Beischläferinnen und Mätressen zu halten.«
»Du redest, wie dieser Mönch aus Wittenberg geredet haben muss«, spottete Frauke, wurde aber sofort wieder ernst. »Du musst den Bischof vor dieser Frau warnen!«
»Das werde ich!« Lothar zog einen losen Stein unten aus dem Herd und holte Papier und Reißblei hervor. Als er zu schreiben begann, musste er achtgeben, dass die harte Spitze des Stiftes nicht das Papier zerriss.
»Warum nimmst du nicht Feder und Tinte?«, fragte Frauke verwundert.
»Weil ich die Botschaften dem Fluss übergebe. Ich verschließe die Flaschen zwar, aber sie saugen doch etwas Wasser an, und da würde eine Schrift mit Tinte verlaufen und unleserlich werden.« Lothar hielt nicht inne, während er Frauke dies erklärte, und war kurz darauf fertig. Nachdem er das Schreibzeug wieder in seinem Versteck untergebracht hatte, holte er eine Flasche, schob den
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