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Flammen des Himmels

Flammen des Himmels

Titel: Flammen des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Türstöcke und Treppengeländer sowie die üppig ausgestatteten Räume sah.
    Ihre Schwester war gerade dabei, eines der riesigen Fenster im größten Zimmer des Anwesens zu putzen. Dabei musste sie achtsam sein, um nicht das Blei zu beschädigen, mit dem die gelblichen Butzenscheiben eingefasst waren. Als sie Frauke kommen sah, atmete sie erleichtert auf.
    »Gut, dass du da bist! Der friesische Trampel, den man mir vorher zugeteilt hatte, war einfach unmöglich. Die hätte beinahe das Blei weggescheuert.«
    Frauke nickte mit schmalen Lippen. »Das ist ein prachtvolles Haus! Aber nun etwas anderes: Glaubst du, dass ich hier ein Stück Brot erhalten kann? Ich habe noch nicht zu Mittag gegessen.« … und zum Frühstück kaum mehr als einen Löffel voll Brei, setzte sie im Stillen hinzu.
    »Hier wirst du bestimmt etwas bekommen. Warte einen Augenblick! Ich führe dich gleich in die Küche. Was wir jetzt versäumen, können wir hinterher aufholen.«
    Silke stieg von dem Stuhl, auf den sie sich gestellt hatte, um auch die oberen Teile der Fenster erreichen zu können, und winkte Frauke, ihr zu folgen.
    Die Küche war so groß, als müsse in ihr für ein ganzes Fähnlein Soldaten gekocht werden. Einige der Bediensteten saßen herum, andere waren gerade dabei, ein Rinderviertel zu zerlegen. Frauke sah den Männern und Frauen staunend zu, denn sie selbst hatte schon seit Wochen kein Fleisch gegessen. Ihr Hunger meldete sich nun mit doppelter Kraft, und sie blickte hoffnungsvoll auf etliche runde Brotlaibe, die in einem Korb auf einer Anrichte standen und frisch dufteten.
    »Gott mit euch, liebe Brüder und Schwestern. Habt ihr einen kleinen Imbiss für meine Schwester? Sie müsste sonst nach Hause zurückkehren, um dort zu Mittag zu essen. In der Zeit kann sie mir aber nicht helfen«, sprach Silke die anderen an.
    Eine hochgewachsene Frau musterte Frauke kurz und stand dann auf. »Natürlich kann die Kleine etwas erhalten. Was möchtest du, frisches Mett oder lieber eine Wurst?«
    Frauke musterte kurz das noch blutige Fleisch und wählte die Wurst. Sofort stieg die Frau in den Keller und kehrte mit einer unterarmlangen Wurst und einem Stück kalten Braten zurück.
    »Hier! Du brauchst Kraft zum Arbeiten. Übermorgen muss hier alles glänzen. Dann will unser verehrter Prophet Gottes Willen erfüllen und die Witwe des armen Jan Matthys zu seinem angetrauten Weibe nehmen.«
    »Das geschieht aber rasch«, brachte Frauke hervor.
    »Es ist der Wille Gottes, und dem darf sich unser verehrter Jan van Leiden nicht entziehen«, antwortete die Frau freundlich.
    »Das darf er natürlich nicht!« Frauke fragte sich, ob die Frau so dumm war, alles zu glauben, was Jan Bockelson als angeblichen Befehl des Himmels ausgab, oder es hinnahm, weil er der Führer ihrer Gemeinschaft war und sie sich von ihm Schutz vor den Landsknechten des Bischofs erhoffte. Auf jeden Fall erhielt sie so viel zu essen, dass sie es kaum hinunterbringen konnte. Daher steckte sie ein Stück Wurst und den Rest Brot unter ihre Schürze.
    »Hab Dank! Es hat ausgezeichnet geschmeckt«, lobte sie die Frau, die ihr die Lebensmittel gereicht hatte.
    Sich selbst aber fragte sie, was die Leute in Münster, die sich in der Hauptsache von Getreidebrei und Brot ernährten, sagen würden, wenn sie wüssten, wie ihre Anführer und deren Dienerschaft schwelgten. Dem Ideal der Gleichheit aller Brüder der Gemeinschaft, dem sich auch Jan Matthys nicht zu entziehen gewagt hatte, entsprach Bockelsons Lebensstil jedenfalls nicht.
    Diese Erkenntnis hinderte Frauke jedoch nicht daran, in den folgenden Stunden kräftig mit anzupacken. Ihre Schwester, deren hausfrauliche Tugenden die ihren stets übertroffen hatten, lobte sie sogar für ihren Fleiß.
    »Magst du etwas trinken?«, fragte Silke danach.
    »Ich hätte nichts dagegen. Arbeiten macht durstig!«
    »Ich bringe dir etwas!« Silke verschwand für einige Augenblicke und kehrte dann mit einem großen Zinnkrug zurück, den das Wappen des vertriebenen Domherrn zierte.
    »Hier, trink! Es ist guter Wein aus dem Keller dieses Hauses.«
    »Wie kann das sein? Es mussten doch alle Vorräte abgeliefert werden!«, fragte Frauke verwundert.
    »Das Fleisch und das Brot stammen aus den eingesammelten Vorräten, während das Weinfass im Keller zu groß und schwer war, um es wegtragen zu können.«
    »Auf jeden Fall leben Bockelson und seine Mitstreiter wie die Maden im Speck, während sich viele Menschen in der Stadt nicht einmal satt essen

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