Flammen des Himmels
dabei gedacht, diesen Mann ins Vertrauen zu ziehen? Der Kerl ist ein Feigling und kuscht ebenso wie die anderen Bürger vor Bockelson, anstatt mannhaft gegen den selbsternannten Propheten vorzugehen«, schalt er sie leise.
Frauke lächelte jedoch nur. Ramert mochte vielleicht kein mutiger Kämpfer sein, aber er würde nichts tun, was Bockelson zum Guten ausschlagen konnte. Vielleicht, so sagte sie sich, schloss er sich Lothar und ihr sogar an und rief die noch in der Stadt verbliebenen Bürger auf, sich gegen die Täuferführer zu wenden.
12.
H ermann Ramerts Gedanken gingen jedoch in eine andere Richtung. Wie alle anderen Männer war er zu den Waffen gerufen worden, um ihre Stadt zu verteidigen. Seit jedoch immer mehr Wiedertäufer nach Münster strömten, fühlte er sich in seiner eigenen Heimat wie ein Fremder. Obwohl er im Herzen mehr der lutherischen Lehre zuneigte, war er geblieben und hatte sich mit den anderen taufen lassen, um seinen Besitz zu schützen. Nun fragte er sich, ob dies richtig gewesen war, denn Bockelsons Unteranführer behandelten ihn wie einen Knecht und nicht wie einen Bürger. Er musste hart für diese Leute arbeiten, während sein eigenes Gewerbe darniederlag. Wenn nun Franz von Waldeck ermordet wurde, musste ein neuer Bischof bestimmt werden, und das konnte Monate, wenn nicht sogar ein oder zwei Jahre dauern. In der Zeit aber würden die Reichsstände Münster in Acht und Bann schlagen und die Reichsexekution gegen die Stadt verkünden. Wenn dann die Heere der großen Fürsten des Reiches gegen Münster marschierten, würde selbst das Kind im Mutterleib nicht verschont werden.
Hermann Ramert wandte sich angespannt der Aa zu, doch von der Flasche war längst nichts mehr zu sehen. Im Osten zogen bereits die ersten Schatten der Nacht auf. Was war, wenn die Botschaft in der Flasche den Bischöflichen entging und die Mörderin ihre Tat vollbringen konnte?
Von diesem Gedanken erfüllt, kehrte Ramert auf seinen Posten zurück und sah sich einem aus Holland stammenden Unteroffizier gegenüber.
»Gab es was?«
»Nur zwei Weiber, die vor lauter Klönen beinahe gegen die Wehranlage gerannt wären!« Damit, sagte Ramert sich, hatte er sich endgültig entschieden.
»Dummes Weibervolk! Ich wünschte, es wäre nur ein Viertel davon hier, und der Rest bestände aus handfesten Kerlen, die einem bischöflichen Heiden eins mit dem Schwert überziehen können!« Mit dieser Bemerkung ließ der Unteroffizier ihn stehen.
Ramert aber starrte immer wieder auf den Fluss. Wer die Mauer überwand und gut schwimmen konnte, vermochte auf diesem Weg zu entfliehen, vor allem, wenn es dunkel war und derjenige vor den Augen der Wachen verborgen blieb. Zudem wusste er, dass die Mauer über dem Fluss trotz aller Reparaturen rauh und unregelmäßig war, eine Folge der Vereisungen vieler Winter. Ein geschickter Kletterer konnte sich an dieser Stelle herabhangeln und in den Fluss eintauchen.
Ohne es eigentlich zu wollen, fand er sich plötzlich ein Stück vom Tor entfernt auf der Mauer wieder und hörte unter sich die Aa strömen. Wie unter einem geheimen Zwang legte er seine Waffen ab, zog Wams, Hose und Schuhe aus und kletterte mit Fingern und bloßen Zehen an der Außenseite der Mauer nach unten. Zu seiner Erleichterung unterblieb der Alarmschrei, den er erwartet hatte. Als er ins Wasser stieg, war es so kalt, dass er zuerst davor zurückschreckte. Dann aber biss er die Zähne zusammen und tauchte vorsichtig unter den Ketten hindurch, die den Fluss absperrten. Kurz darauf hatte er die Stadt hinter sich gelassen und schwamm erleichtert in die Freiheit.
Nach einer Weile sah Ramert vor sich einen Lichtschein und hörte, wie jemand im Wasser herumstapfte. Besorgt strebte er dem Ufer zu, kam aber wegen des glitschigen Ufers nicht an Land und machte mehr Lärm, als klug schien.
»Ist da wer?«, klang eine barsche Stimme auf.
Ramert drückte sich ans Ufer und verhielt sich still. Der Fremde kam jedoch auf ihn zu, in der einen Hand die Fackel und in der anderen eine lange Stange, deren Enden sich in der Dunkelheit verloren.
Es war Draas, den man von dem Lager vor dem Ludgeritor wieder zu Haberkamps Gutshof geschickt hatte, um Flaschen mit Lothars Nachrichten abzufangen. Diese Aufgabe teilte er sich inzwischen mit Guntram und Margret, die Moritz ebenfalls ins Vertrauen gezogen hatte. Jetzt war er froh, dass nicht die Frau hatte wachen müssen, denn Margret wäre für einen Bewaffneten keine ernsthafte Gegnerin gewesen.
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