Flammen des Himmels
Zuschauer diesem Aufgang zustrebten, gerieten sie in Gefahr, von der panischen Menge von der Mauer gestoßen zu werden. Lothar setzte die Ellbogen ein, um sich und Frauke zu schützen. Gleichzeitig zielten immer noch bischöfliche Schützen auf die Menschen, die sich auf der Mauer befanden. Als ganz in der Nähe eine Frau getroffen wurde und im Schreck fehltrat, griff Frauke rasch genug zu und verhinderte, dass die andere in die Tiefe stürzte. Erst als sie ihr den Arm unter der Achsel hindurchsteckte, um sie zu stützen, sah sie, dass es sich um Katrijn handelte. Obwohl sie die Frau am liebsten liegen gelassen hätte, half sie ihr, in Sicherheit zu kommen.
»Danke!« Katrijn sah aus, als würde sie an diesem Wort ersticken. Doch noch war sie nicht außer Gefahr, denn das Blut sprudelte wie ein kleines Bächlein aus einer Wunde knapp unter dem Schlüsselbein.
»Hoffentlich hat es nicht die Schlagader getroffen«, sagte Frauke, während sie einen Stoffstreifen aus ihrem Unterrock riss, um Katrijn zu verbinden.
»Holt einen Wundarzt! Ich darf nicht sterben! Nicht jetzt, da unser Herr Jesus Christus bald vom Himmel steigen wird!«, kreischte Katrijn mit einer Stimme, die kaum noch Menschliches an sich hatte.
»Versuch, sie zu beruhigen«, bat Lothar Frauke und eilte los, um einen Arzt zu suchen.
Als er am Haus des ersten Wundarztes anklopfte, kam eine von dessen Frauen zur Tür und sah ihn fragend an. »Was willst du?«
»Wir brauchen den Arzt«, erklärte Lothar. »Eine Frau ist verletzt.«
»Das mag sein«, gab die andere ungerührt zurück. »Nur ist mein Mann damit beschäftigt, unsere verwundeten Krieger zu versorgen. Auch die anderen Ärzte und alle Bader und Hebammen tun das. Um ein Weib kann sich hier keiner kümmern. Wenn es Gott gefällt, wird sie am Leben bleiben, wenn nicht, stirbt sie eben. Ein Soldat, der kämpfen kann, ist nun einmal wichtiger.«
Ungläubig starrte Lothar die Frau an, rannte aber, als sie ihm die Tür vor der Nase zuschlug, weiter zum Mauritiustor, um dort nach einem Arzt zu fragen. Doch der Offizier, den er ansprach, erklärte ihm dasselbe wie die Frau. Alle Männer und Frauen, die Kenntnisse in der Heilkunst besaßen, wurden gebraucht, um die vom feindlichen Feuer verwundeten Soldaten zu versorgen.
»Aber es handelt sich um Katrijn van Haarlem. Sie ist immerhin Jan Bockelsons Stiefschwiegermutter«, antwortete Lothar drängend.
Der Offizier winkte mit einer knappen Geste ab. »Selbst wenn es eines der Weiber des Königs wäre, würde ich nicht anders handeln. Es gibt bereits fünfzehn von ihnen, dazu mehrere Dutzend Schwägerinnen und Schwestern. Bei der Verteidigung einer Stadt sind die Frauen und Kinder nur unnütze Fresser. Besser, sie sterben als ein Mann, der einen Spieß oder eine Hakenbüchse zu führen vermag.«
Nach dieser herben Abfuhr kehrte Lothar zu Frauke und Katrijn zurück. Seiner Geliebten war es unterdessen gelungen, die Blutung zu stillen. Katrijn wirkte zwar blass, aber sie lebte.
»Wir müssen uns auf uns selbst verlassen. Die Offiziere haben alle Heilkundigen für die Krieger zusammengeholt und lassen niemanden gehen«, teilte Lothar den beiden Frauen mit.
Während Frauke aufstöhnte, packte Katrijn die Wut. »Hast du diesen Narren gesagt, wer ich bin?«
»Selbstverständlich! Doch der Offizier sagte, selbst wenn du eines der Weiber des Königs wärst, würde er keinen Arzt oder Bader entbehren können.«
Es behagte weder Frauke noch Lothar, sich um die harsche Frau kümmern zu müssen. Doch sie wollten Katrijn nicht einfach im Straßenschmutz liegen lassen.
»Wir bringen sie nach Hause«, sagte Frauke nach einer Weile.
Lothars Blick flammte zornig auf. »Nicht zu uns! Wenn wir sie irgendwohin bringen, dann in das Haus, in dem sie mit deinem Vater zusammenlebt.«
»Das habe ich auch gemeint. Bitte pack mit an!«
Obwohl Frauke nicht gerade schwächlich war, keuchte sie unter dem Gewicht der großen, schwer gebauten Frau und war schließlich froh, als sie deren Heim erreichten. Von der neuen Mitehefrau war nichts zu sehen, aber das war Frauke nur recht. Es war schon schwer genug für sie, ihren Vater als Bigamisten ansehen zu müssen. Noch mehr Weiber im Haus aber erschienen ihr so sündhaft, dass sie nicht wusste, ob ihr Vater je der Höllenstrafe würde entgehen können.
Um Katrijn zu verbinden, mussten sie dieser das Kleid und das Hemd ausziehen. Obwohl Frauke ihr sofort eine Decke über den Unterleib zog, lagen die großen, schweren Brüste
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