Flammen des Himmels
mit den fingergliedlangen Brustwarzen frei, und sie hoffte, dass Katrijn nie erfuhr, wer Lotte in Wirklichkeit war. Dann aber sagte sie sich, dass die andere froh sein konnte, überhaupt versorgt zu werden. Die Wunde war tief, und sie mussten auch noch das Geschoss herausholen. Mangels eines geeigneten Instruments versuchte Lothar es mit dem Zeigefinger, gab aber bald auf und sah Frauke an.
»Kannst du es versuchen? Du hast schlankere Finger als ich.«
»Oh Gott!« Mit diesem Stoßseufzer trat Frauke an seine Stelle und schob den Zeigefinger in den Wundkanal.
Katrijn brüllte, als würde sie ihr ein glühendes Eisen in den Leib stoßen, und schlug nach ihr. Da packte Lothar ihre Hände und hielt sie fest.
»Sei ruhig!«, herrschte er sie an. »Wenn wir die Kugel nicht herausholen, krepierst du innerhalb weniger Tage!«
Obwohl die Frau nun die Zähne zusammenbiss und nur noch leise vor sich hin wimmerte, war es für Frauke sehr schwierig, das schlüpfrige Geschoss zu ertasten und langsam aus der Wunde herauszupressen. Als es endlich geschafft war, war sie schweißgebadet und hielt sich nur noch mühsam aufrecht.
»Das hast du wunderbar gemacht«, lobte Lothar sie.
Frauke drehte sich mit einem gequälten Lächeln zu ihm um. »Eine Wundärztin werde ich wohl nie! Und ich glaube nicht, dass ich den Beruf einer Hebamme ergreifen könnte.«
»Letzteres will ich nicht ausschließen. Aber auf jeden Fall hast du diese Frau hier fürs Erste gerettet. Wir lassen die Wunde noch ein wenig ausbluten, damit Schmutz und Unrat herausgeschwemmt werden. Danach verbinden wir sie mit einigen Streifen frischer Leinwand.«
»Ich hole welche!«, rief Frauke, der von dem vielen Blut übel zu werden drohte.
9.
K urze Zeit später hatten sie Katrijn einen festen Verband angelegt. Um zu verhindern, dass das Wundfieber sie zu stark erfasste, ging Frauke in die Küche, hängte einen Wasserkessel über die Flamme und suchte nach getrocknetem Johanniskraut, Brombeerblättern und Holunder, um aus ihnen einen Aufguss zu bereiten. Aus einem Impuls heraus gab sie Hopfen und Pfefferminze hinzu.
Als Lothar in die Küche kam, schnupperte er kurz und sah sie fragend an. »Du gibst dir ja sehr viel Mühe für diese Frau!«
»Nachdem wir so hart gearbeitet haben, will ich nicht, dass sie stirbt«, antwortete Frauke herb.
Eine Freundin würde Katrijn niemals für sie werden. Doch sah sie es als ihre Pflicht an, Hilfe zu leisten, wenn sie vonnöten war.
»Du solltest Katrijn fragen, wo das andere Weib ist, das hier wohnt, damit die sich um sie kümmern kann!«, forderte sie Lothar auf.
Der nickte und verschwand wieder. Unterdessen goss Frauke ihre Kräutermischung auf und schnupperte daran. Es riecht ganz gut, dachte sie. Dann blickte sie auf ihre Hände. Obwohl sie diese eben ausgiebig gewaschen hatte, glaubte sie immer noch Blut daran kleben zu sehen. Daher füllte sie den Kessel erneut und hängte ihn über die Flamme.
Da kam Lothar zurück. »Katrijn sagt, die andere Frau würde in Bockelsons Residenz Magddienste leisten und nicht vor der Abenddämmerung zurückkommen. Daher bittet sie uns, sie nicht zu verlassen.«
»Sie hat wohl Angst, alleine zu sterben, was? Dabei heißt es bei den Wiedertäufern doch, jeder ihrer Toten würde an der Hand Jesu Christi vom Himmel herabsteigen.«
»Dazu müsste Jesus Christus aber verdammt viele Arme haben!« Lothar schauderte es bei dem Gedanken an die vielen Toten, die Jacobus von Gerwardsborn und andere Inquisitoren bereits auf den Scheiterhaufen gebracht hatten. Auch hier in Münster würde der Zorn dieses Mannes noch viele Opfer kosten.
»Du kannst Katrijn den Aufguss bringen. Er dürfte abgekühlt sein. Sag ihr, sie soll alles trinken!«, erklärte Frauke, ohne auf Lothars Bemerkung einzugehen.
Dieser lachte leise auf. »Das wird sie schon aus Angst vor dem Tod tun.«
Nachdem er die Küche verlassen hatte, goss Frauke das mittlerweile warm gewordene Wasser in eine Schüssel und wusch ihre Hände mit einer der Seifen, die sie beim Einzug hier im Haus vorgefunden hatte. Dann entdeckte sie, dass ihr Kleid Blutflecken aufwies. Angeekelt streifte sie es über den Kopf, um es zu waschen. Das Blut war an einer Stelle sogar bis auf das Hemd gedrungen, und so wusch sie beides gründlich aus. Anschließend machte sie bei sich selbst weiter.
Als Lothar zurückkam, sah er Frauke nackt bis auf die Haut in der dunklen Küche stehen.
»Was machst du da?« Er konnte seine Erregung kaum verbergen.
»Meine
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