Flammen des Himmels
Bischofs zu achten, die ihn davor warnten, einer Ketzerin zu helfen, trat Draas auf Gardner zu. »Herr, erlaubt mir ein Wort?«
»Es wird wohl schon mehr als ein Wort sein müssen, damit ich verstehe, was du von mir willst«, antwortete Gardner angespannt. Er kannte Draas als zuverlässigen Helfer und glaubte daher nicht, dass dieser aus einem nichtigen Grund zu ihm kam.
»Ich kenne die Frau hier aus meiner Heimatstadt und verbürge mich für sie«, begann Draas, gut Wetter für Silke zu machen.
Einem einfachen Söldner hätte Gardner sein Ansinnen wegen des bischöflichen Befehls abschlagen müssen. Hier aber wollte er es nicht tun, da er Draas weiterhin brauchte.
»Wer ist sie?«, fragte er daher halb gewillt, Silke bei dem Mann zu lassen. Dann aber kniff er die Augen zusammen. »Dich kenne ich doch! Bist du nicht eine der Frauen, die damals spurlos aus dem Kloster verschwunden sind?«
Draas bekam es mit der Angst zu tun, Gardner würde Silke jetzt wieder Gerwardsborn ausliefern, und spielte den stärksten Trumpf aus, den er hatte. »Ja, das ist Silke Hinrichs. Euer Sohn hat sie, ihre Mutter und ihre Schwester damals aus dem Klosterkeller befreit und dabei den Foltermeister des Inquisitors niedergeschlagen. Ich habe Herrn Lothar geholfen, die drei aus der Stadt zu bringen.«
»So war das also!« Gardners Blick suchte Gerwardsborn, doch der Inquisitor befand sich zu seiner Erleichterung ebenso wie seine Zuträger weit genug entfernt.
»Bring die Frau in mein Quartier und bleib gleich selbst dort«, befahl er Draas, wandte sich aber noch einmal an Silke. »Was weißt du über die Lage in der Stadt?«
»Ich war eines von Bockelsons Kebsweibern und konnte daher einiges erlauschen und Eurem Sohn mitteilen.« Es fiel Silke nicht leicht, dies zu gestehen, denn wie sie befürchtet hatte, zeigte sich Abscheu auf Draas’ Gesicht.
»Du hast Lothar in der Stadt gesehen?«, fragte Gardner erregt.
»Er hat zum Schein meinen Bruder geheiratet«, berichtete Silke und fand, dass dies die Tatsache, dass sie eines von Bockelsons Weibern gewesen war, noch übertraf.
Das sah Gardner ebenso. Obwohl er den Kopf schüttelte, bewunderte er den Erfindungsreichtum seines Sohnes. Wichtig war aber nun anderes.
»Weshalb hat dieser Ketzerkönig dich ebenfalls aus der Stadt jagen lassen, obwohl du eines seiner Weiber bist?«
»Ich war nicht angesehen genug an seinem Hof, da ich nur die Tochter eines zugereisten Handwerkers bin. Die anderen Weiber stammen teilweise aus dem Adel oder dem gehobenen Bürgertum. Er hat sie geheiratet, um sich der Treue und Unterstützung ihrer Väter und Brüder zu versichern. Als er nun die Frauen aus der Stadt treiben ließ, musste auch er nach außen hin ein Opfer bringen, und auf mich konnte er leichter verzichten als auf eine Schwester von Knipperdolling oder Kibbenbrock. Um es offen zu sagen: Ich bin froh darum, dass die Wahl auf mich gefallen ist. Es ist nämlich Sünde, wie der König und seine Getreuen leben, und daran will ich keinen Anteil haben.«
»Gesündigt hast du trotzdem«, erklärte Draas vergrätzt.
»Hätte ich mich geweigert, hätte er mir den Kopf abschlagen lassen. Und so heilig, um auf diese Weise sterben zu wollen, bin ich nun einmal nicht«, verteidigte Silke sich unter Tränen.
Bevor Draas etwas darauf antworten konnte, griff Gardner ein. »Lass sie! Immerhin hat sie eben erklärt, dass sie nicht an die Lehren der Ketzer glaubt, denn diese sehnen sich nach dem Tod, weil sie danach angeblich von unserem Herrn Jesus Christus unter dessen Jünger aufgenommen werden. Jetzt aber bring sie weg, bevor der Inquisitor erfährt, welchen Fang wir hier gemacht haben.«
»Jawohl, Herr!« Draas packte Silke und zerrte sie hinter sich her.
»Hat Herr Lothar dich deswegen aus diesem Rattenloch gerettet, damit du diesem ketzerischen Hurenbock die Schenkel öffnen musstest?«, fragte er grollend.
»Wenn du so redest, wäre es wohl besser gewesen, ich wäre an Haugs Stelle auf dem Scheiterhaufen ums Leben gekommen«, antwortete Silke bitter.
»So habe ich es nicht gemeint. Ich freue mich ja, dass du alles überstanden hast!« Noch klang Draas knurrig, aber er war bereits halb versöhnt.
Silke sah traurig nach Münster hinüber. »Ich mag es überstanden haben, aber meine Schwester, mein Bruder und Lothar haben es noch nicht.«
Neunter Teil
Der eigene Weg
1.
D en Anführern der Wiedertäufer war nur allzu bewusst, dass ein Sieg des Fürstbischofs für sie Folter und Tod bedeutete.
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