Flammen des Himmels
Wachbuch wieder und dachte an Silke Hinrichs, die ihm von allen Mädchen am besten gefiel.
14.
E twas ging vor, dessen war Lothar Gardner sich sicher. Für eine normale Nacht herrschte einfach zu viel Unruhe im Kloster. Als er die Spannung nicht mehr ertragen konnte, verließ er sein Zimmer und eilte den Gang entlang. Gerwardsborn selbst und einigen aus seinem Gefolge durfte er nicht unter die Augen kommen, das war ihm klar. Aber neben der Kammer, die Magister Rübsam bewohnte, lag ein leerer Raum, in dem das Gepäck des Reisezugs untergebracht war. Wenn man ihn dort erwischte, konnte er immer noch sagen, er habe etwas aus der Truhe seines Vaters holen wollen.
Ungesehen gelangte Lothar in die Kammer und wandte sich der Seite zu, hinter der Rübsams Zimmer lag. Als er das Ohr gegen die Wand legte, vernahm er die Stimme des Magisters. Leider sprach der Mann nicht laut genug, als dass er alles hätte verstehen können. Doch das, was er hörte, war erschreckend genug.
»Die Waffenknechte stehen bereit! Sie werden … die Ketzer … morgen … der Erste brennen!«
Es klang so zufrieden, dass Lothar den drängenden Wunsch verspürte, seine Finger um den dürren Hals des Magisters zu legen und kräftig zuzudrücken. Einer anderen Person einen solchen Tod zu wünschen, war unmenschlich. Auch wenn das Gesetz ein solches Urteil befahl, so sollte man mit den Armen, die es traf, Mitleid zeigen.
Da seine Gedanken wirr umherschweiften, rief Lothar sich wieder zur Ordnung und lauschte weiter. Doch leider schnappte er nur noch ein paar einzelne Worte auf, mit denen er nichts anzufangen wusste. Den Geräuschen nach verließen dann einige Leute den Nebenraum.
Lothar wagte es nicht, die Tür einen Spalt zu öffnen, um zu schauen, wer es war. Stattdessen atmete er tief durch und fragte sich, was er tun sollte. Am einfachsten wäre es gewesen, zu seinem Vater zu gehen und ihn über das zu informieren, was er gehört hatte. Wahrscheinlich würde der ihm jedoch befehlen, den Mund zu halten und alles zu unterlassen, was den Inquisitor verärgern konnte.
Es drängte ihn jedoch, irgendetwas zu unternehmen. Aber was konnte er tun? Weder vermochte er den Inquisitor daran zu hindern, Leute verhaften zu lassen, noch konnte er Gefangene aus dem Keller des Klosters befreien. Dabei war ihm klar, dass Gerwardsborn seine Opfer niemals einem ordentlichen Gericht übergeben würde. Dafür hatte der Inquisitor sich zu oft über weltliche Regeln und Gesetze hinweggesetzt und auch über die der heiligen Kirche.
Das Bild des jungen Mädchens stieg in ihm auf, welches ihm schon ein paarmal begegnet war. Mittlerweile kannte er auch ihren Namen. Sie hieß Frauke Hinrichs und war die Tochter eines Gürtelschneiders. Allerdings hatte er bis jetzt nicht gewagt, zu fragen, wo sie wohnte. Das musste er nun dringend nachholen, denn er wollte sie warnen.
Mit diesem Entschluss öffnete er die Tür einen Spalt, sah, dass der Gang leer war, und huschte hinaus. Kurz darauf verließ er das Kloster und ärgerte sich prompt, weil er ohne Laterne losgegangen war. Jetzt noch einmal zurückzukehren und eine zu holen, wagte er nicht, aus Angst, einem von Gerwardsborns Getreuen in die Hände zu laufen. Daher tastete er sich durch die nächtlichen Straßen. Zuerst überlegte er, Thaddäus Sterken aufzusuchen und diesen nach dem Gürtelschneider zu fragen. Aber er erinnerte sich noch früh genug an eine Bemerkung seines Vaters, dass Sterken jeden anderen Mann opfern würde, um den Inquisitor loszuwerden.
»Ich könnte einen der Torwächter fragen«, murmelte Lothar. »Dem könnte ich sagen, die Kleine würde mich so interessieren, dass mich jetzt der Hafer sticht.«
Allerdings durfte das nicht seinem Vater zu Ohren kommen, denn dieser besaß feste Vorstellungen von Anstand und Moral. Ein Sohn, von dem es hieß, er stelle Bürgermädchen nach, gehörte gewiss nicht dazu.
Trotz eines Klumpens im Magen suchte Lothar vorsichtig den Weg zum Osttor und atmete auf, als es endlich vor ihm lag. In der Wachstube brannte noch Licht, also brauchte er den Wächter nicht zu wecken.
Lothar klopfte an, hörte, wie drinnen ein Stuhl verschoben wurde, und sah sich dann Draas gegenüber, der ungehalten über die erneute Störung herausschaute.
»Ach, Ihr seid es, Herr Lothar!« Dem Stadtknecht wäre es lieber gewesen, Inken Hinrichs samt ihren restlichen Kindern vor sich zu sehen, die Stillenbeck verlassen wollten.
»Draas! So heißt du doch, oder?«, begann Lothar nervös.
»So
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