Flammen des Himmels
ihn begleiten.
Sie wäre am liebsten zu Hause geblieben, denn das Gefühl drohender Gefahr schnürte ihr fast die Luft ab. Gleichzeitig fragte sie sich, was ihren Vater dazu bewogen hatte, sich noch in der Nacht auf den Weg zu machen. Immerhin würde er dem Torwächter ein sattes Draufgeld zahlen müssen, um hinausgelassen zu werden. Dabei war er in der ganzen Stadt als sparsamer, wenn nicht gar geiziger Mann bekannt.
13.
A n diesem Tag hatte Draas die Nachtwache am Osttor übernommen. Nun saß er in der leeren Wachstube, blätterte im Wachbuch und suchte nach einem Eintrag, der auf den Mann hindeutete, den die Helfer des Inquisitors weggeschafft hatten. Doch er fand nicht den geringsten Hinweis. Es war, als hätte der Fremde Stillenbeck niemals erreicht.
Ein hastiges Klopfen an der Tür schreckte ihn aus seinem Sinnieren. Er nahm seine Laterne, schaute hinaus und zog beim Anblick von Hinner Hinrichs verwundert die Augenbrauen hoch.
»Was wollt Ihr zu nachtschlafender Zeit hier?«
»Ich muss dringend die Stadt verlassen, Draas«, antwortete Hinrichs noch ganz außer Atem. »Sterken will einen Schock neuer Gürtel von mir, aber das Leder, das er mir geliefert hat, ist zu schlecht. Daher muss ich los und mir selbst besseres besorgen.«
Es war eine Ausrede, dies war Draas sofort klar. Um Leder zu holen, hätte Hinrichs auch bis zum nächsten Tag warten können. Außerdem war er nur mit Hosen, Hemd und Weste bekleidet und trug nicht einmal einen Hut. In dem Augenblick begriff Draas, dass die Gerüchte, Hinrichs könnte ein Ketzer sein, wohl der Wahrheit entsprachen. Seine Pflicht erforderte, den Mann sofort festzunehmen oder ihn dem Stadtrichter zu melden. Dann aber dachte er an Silke, die in diesem Fall ebenfalls in die Fänge der Inquisition geriete, und schüttelte sich. Auch wenn er das Mädchen niemals sein Eigen nennen würde, wollte er ihr dieses Schicksal ersparen.
»Dann wünsche ich Euch Glück auf Eurer Reise, Meister Hinrichs«, sagte er und holte den Schlüssel. Als er die Nachtpforte öffnen wollte, fiel Fraukes Vater ihm in den Arm.
»Warte noch einen Augenblick, Draas. Gleich kommt noch mein Sohn, den ich mit auf diese Fahrt nehmen will.«
… und hoffentlich auch die anderen Mitglieder deiner Familie, dachte der Stadtknecht und blickte die Straße hinab. Wenig später näherte sich ein Licht, zu seiner Verwunderung beschien es jedoch nur Hinrichs’ jüngste Kinder. Lediglich Helm schien für eine längere Reise gekleidet.
»Hier bin ich, Vater! Ich wäre rascher hier, wenn Frauke nicht getrödelt hätte«, sagte Helm, um seiner Schwester eins auszuwischen.
Frauke schnaubte empört, denn sie hatte ihren Bruder antreiben müssen. Doch ihr Vater kümmerte sich nicht um sie, sondern nahm die Sachen entgegen, die sein Sohn ihm reichte, und befahl diesem nach kurzem Überlegen, weiterhin den Reisesack zu schultern.
Dann wandte er sich sichtlich erleichtert dem Wächter zu. »Jetzt kannst du das Tor öffnen, Draas.«
Diesem juckte es in den Fingern, dem Mann ein paar derbe Ohrfeigen zu verpassen. Wie es aussah, floh Hinrichs nur mit seinem Jüngsten zusammen und überließ den Rest seiner Familie ihrem Schicksal. Aber er würgte seinen Ärger hinunter, öffnete die Pforte im Tor und sah zu, wie Hinrichs und Helm in der Dunkelheit verschwanden. Danach schloss er die schmale Tür wieder und drehte sich zu Frauke um.
»Du solltest schnell nach Hause gehen, Deern. Gib aber acht, dass du keinem besoffenen Kerl vor die Füße läufst. Erinnere dich daran, dass vor drei Wochen eine Magd des Gewandschneidermeisters Blank von ein paar Fremden in die Büsche gezerrt worden ist.«
»Ich werde mich vorsehen«, versprach Frauke, deren Gedanken im Augenblick weniger der Gefahr galten, die ihr auf dem Heimweg drohen mochte, sondern vielmehr der überraschenden Abreise ihres Vaters.
»Wenn es mir möglich wäre, würde ich mit dir gehen und dich nach Hause bringen. Aber ich darf meinen Posten nicht verlassen, sonst setzt der Hohe Rat mich auf die Straße.« Trotz seiner Worte begleitete Draas Frauke ein Stück die Straße entlang bis zum Markt.
Zurück in seiner Wachstube, schlug er erneut das Wachbuch auf und wollte bereits die Feder zur Hand nehmen, als ihm einfiel, dass er in seinem Ärger über Hinrichs ganz vergessen hatte, diesem das Geld abzunehmen, welches der Mann für das Öffnen der Nachtpforte hätte zahlen müssen. Es aus der eigenen Tasche auszulegen, hatte er keine Lust. Daher schloss er das
Weitere Kostenlose Bücher