Flammen des Himmels
nun bitte ich Euch, mich allein zu lassen, damit ich meine Stimme zu Gott erheben und ihn bitten kann, die Seelen der irrenden Sünder doch noch der Hölle zu entreißen, auf dass ihnen nach entsprechender Reinigung im Fegefeuer das Himmelreich zuteilwerde!«
Gardner wusste nicht, ob der Inquisitor damit andeuten wollte, gnädiger zu sein als seine Opfer, oder es nur sagte, um ihn loszuwerden. Auf jeden Fall war er mit dem Versuch gescheitert, selbst Einfluss auf das Verfahren zu nehmen. Zorn kochte in ihm hoch. Zu seinem Leidwesen waren ihm die Hände gebunden, denn er durfte sich nicht offen gegen Gerwardsborn stellen. Ihm blieb daher nichts anderes übrig, als sich zu verbeugen und den Rückzug anzutreten.
Die beiden Wachen lasen aus Gardners Miene, dass ihr Herr den Gefolgsmann des Fürstbischofs hatte abfahren lassen. Einer der Männer drehte sich daher grinsend um und schob sein Schwert so zurück, dass es Gardner zwischen die Beine geriet.
Dieser stolperte und fiel zu Boden. Als er sich aufrichtete, blickte der Mann spöttisch auf ihn herab. »Könnt Ihr nicht aufpassen? Beinahe hättet Ihr mich umgerannt!«
So viel Frechheit verschlug Gardner die Sprache, und es zwickte ihn in den Fingern, dem Kerl mit ein paar heftigen Ohrfeigen Höflichkeit beizubringen. Da der zweite Bewaffnete jedoch nur darauf zu lauern schien, seinem Kameraden zu Hilfe zu kommen, stand er ohne ein weiteres Wort auf und eilte, von dem Gelächter der beiden Adelsjünglinge begleitet, zu seiner Kammer. Als er eintrat, schlug er die Tür so wütend zu, dass Lothar von seinem Buch hochschreckte und ihn entsetzt anblickte.
»Der Inquisitor ist schon schlimm genug, aber seine Begleitung ist die wahre Pest«, erklärte Gardner schnaubend.
Lothar zog die Schultern hoch, als friere er. »Ihr habt also nichts für die armen Leute erreichen können.«
»Immer wenn ich auf das hier geltende Recht zu sprechen kam, wies Gerwardsborn mich auf das kirchliche und das göttliche Recht hin, welches weit über dem der Stadt und der Herrschaft des Fürstbischofs stehen würde.« Gardner schwankte, ob er nur Zuschauer spielen oder umgehend abreisen und dem Fürstbischof von dem selbstherrlichen Verhalten des Inquisitors berichten sollte. Doch Franz von Waldeck saß noch nicht so fest auf seinem Bischofsstuhl, dass er es auf einen Streit oder eine offene Feindschaft mit dem Kirchenmann ankommen lassen konnte.
»Er will zwei derer, die seine Leute festgenommen haben, bereits heute Abend brennen lassen – zwei Männer«, fuhr Gardner fort.
Obwohl Lothar auch das schrecklich fand, atmete er auf. Frauke war also noch nicht unter den Opfern. Da das Mädchen jedoch ebenfalls in Gefahr schwebte, als Ketzerin verbrannt zu werden, fieberte er dem Nachmittag entgegen, um Draas in Jens’ Schenke zu treffen. Vielleicht wusste der Stadtknecht Rat.
Gleichzeitig fragte er sich, weshalb ihn Fraukes Schicksal so berührte. Sie war hübsch, doch im Grunde machte er sich nicht viel aus Frauen. Natürlich würde er irgendwann heiraten und eine Familie gründen müssen, wenn er nicht Priester werden wollte. Aber die Braut würde sein Vater für ihn aussuchen und dabei weniger auf das Aussehen achten als darauf, dass sie einer passenden Familie angehörte und eine wünschenswerte Mitgift besaß.
5.
D er Tag schien kein Ende zu nehmen. Frauke schmerzten die gefesselten Hände, und es fiel ihr immer schwerer, auf den Beinen zu bleiben. Ihren Geschwistern ging es ähnlich, doch sie sorgte sich mehr um die Mutter als um sich, Silke oder Haug.
»Wie geht es dir, Mama?«, fragte sie in die Stille hinein.
Inken Hinrichs hob den Kopf, der ihr auf die Brust gesunken war, und blickte ihre Tochter an. »Wir hätten auf dich hören und die Stadt verlassen sollen, als noch Zeit dazu war.«
»Sei bitte vorsichtig, Mama«, bat Frauke.
Mehrfach hatte sie Geräusche gehört, die auf einen heimlichen Lauscher hinwiesen.
Dies war auch Inken Hinrichs klar. Dennoch lachte sie bitter auf. »Lass den Kerl ruhig hören, was wir sagen. Das himmlische Gericht naht, und er wird für seine Sünden unweigerlich zur Hölle fahren. Ich werde ihm, diesem elenden Magister und dem Inquisitor einen Fußtritt geben, damit sie noch schneller in Luzifers Reich stürzen!«
»Dazu wirst du nicht mehr kommen, Ketzerin, denn vorher wirst du in Flammen aufgehen!« Bruder Cosmas, der tatsächlich gelauscht hatte, kam um die Ecke und musterte die Gefangene höhnisch. »Ja!«, fuhr er fort. »Du wirst
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