Flammen des Himmels
konnten.
»Dann braucht ihr aber jemanden, der sie hinter euch schließt!« Lothar ließ keinen Zweifel daran, dass er derjenige sein würde.
Nach kurzem Überlegen nickte Draas. »Das wäre wohl besser. Helft mir, alles zusammenzupacken, was ich mitnehmen will. Viel ist es nicht.«
Er hatte es kaum gesagt, da legte Frauke das Stück Brot weg, das der Stadtknecht ihr gereicht hatte, und begann, jene Dinge auf den Tisch zu stellen, die ihrer Meinung nach in Draas’ Gepäck kommen mussten. Sie selbst war bereit, so viel zu tragen, wie sie vermochte. Das waren sie, die Mutter und ihre Schwester dem braven Stadtknecht schuldig.
10.
D raas hatte nicht zu viel versprochen. Als sie sich der Wachstube des Osttors näherten, drang das Schnarchen des Wächters bis auf die Straße. Mit einem zufriedenen Blick trat Draas auf die Nachtpforte zu, schob den Riegel zurück und lobte dabei sich selbst, weil er diesen ebenso wie die Angeln erst vor wenigen Tagen eingefettet hatte. Daher ließ sich die Tür nahezu lautlos aufschieben.
»Raus jetzt! Wir müssen in dieser Nacht noch ein ganzes Stück Weges zurücklegen«, erklärte er den drei Frauen.
Frauke nickte, drehte sich dann aber noch einmal zu Lothar um. »Habt Dank für alles!«
Sie eilte hinaus, so schnell ihre zitternden Beine sie trugen. Er sollte die Tränen nicht sehen, die ihr schon wieder über die Wangen rannen. Die Mutter folgte ihr mit unbewegter Miene, während Silke knickste.
»Nehmt auch meinen Dank, junger Herr! Ihr habt uns alle vor einem entsetzlichen Schicksal bewahrt.«
»Schmiere ihm nicht zu viel Honig um den nicht vorhandenen Bart«, brummte Draas in einem Anflug von Eifersucht und schob Silke zur Pforte hinaus. Auch er durchschritt sie, sah sich aber noch einmal kurz zu Lothar um.
»Viel Glück! Und passt auf Euch auf.«
»Dasselbe rate ich dir!« Nach diesen Worten schloss Lothar die Pforte, schob den Riegel vor und machte sich auf den Weg zum Kloster.
Die Verbrennung der beiden Ketzer war den Menschen so aufs Gemüt geschlagen, dass sie sich in ihren Häusern verkrochen hatten. Daher begegnete Lothar unterwegs keinem Nachtschwärmer und musste auch nur einmal in eine Seitengasse ausweichen, um dem Nachtwächter zu entgehen, der seine Runde drehte. Ungesehen erreichte er das Kloster und benutzte die gleiche Pforte, die er auch diesmal wieder hinter sich abschloss. Er wollte schon erleichtert in seine Kammer eilen, als ihm einfiel, dass er den Schürhaken im Keller zurückgelassen hatte.
Mit zitternden Knien stieg er die Treppe hinunter und musste allen Mut zusammennehmen, um das Gewölbe zu betreten. Zu seiner Erleichterung war der Keller bis auf den am Boden liegenden Dionys leer. Der Folterknecht regte sich jedoch bereits und brabbelte unverständliche Worte vor sich hin.
Der wird gleich erwachen, durchfuhr es Lothar, und er legte rasch den Schlüssel neben den Bewusstlosen. Anschließend hob er den Schürhaken auf und verließ den Raum, so schnell er konnte. Als er seine Kammer erreichte, machte er sich auf eine Gardinenpredigt seines Vaters gefasst. Zu seiner Überraschung war dieser jedoch noch nicht zurückgekehrt. Aufatmend befreite er den Schürhaken von Haaren und Blut und hängte ihn wieder an den Kamin.
Kurz darauf hatte er sich bis aufs Hemd ausgezogen und schlüpfte ins Bett. An Schlaf war jedoch nicht zu denken, denn immer wieder durchlebte er die Szene, in der er Dionys niedergeschlagen hatte. Dabei dankte er Gott, dass der Mann nicht durch seine Hand gestorben war und er nicht entdeckt worden war.
Spät in der Nacht wurde die Tür geöffnet, und Magnus Gardner kam mit einer Laterne in der Hand herein. Er leuchtete kurz seinen sich schlafend stellenden Sohn an, stellte die Laterne ab und begann, sich auszuziehen. In seinem Herzen glühte die Wut auf den Inquisitor, der seinen Auftrag immer weiter ausdehnte, aber auch auf den Rat und die Bürger dieser Stadt. Er war sowohl bei Sterken, dem anderen Bürgermeister und etlichen Herren des Rates gewesen, um diese dazu zu bewegen, Jacobus von Gerwardsborn eine Bittschrift zu übergeben, in der sie diesen aufforderten, das Leben der gefangenen Frauen zu verschonen. Doch kein Einziger war bereit gewesen, seinen Namen unter solch ein Papier zu setzen.
»Angsthasen sind sie allesamt!«, knurrte er und setzte sich an den Tisch, um einen letzten Becher Wein zu trinken.
Auch damit vermochte er seine aufgewühlten Gedanken nicht zu beruhigen. Er hatte bei seinem Auftrag, mäßigend
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