Flammen des Himmels
seinem Jüngsten zusammen die Stadt verlassen hatte und die Männer des Inquisitors deshalb vergeblich nach den beiden suchten. Dies bedeutete, dass Frauke am nächsten Abend auf den Scheiterhaufen gebunden würde. Als Lothar das klarwurde, fühlte er sich so hilflos wie niemals zuvor und verfluchte die ganze Welt.
Zufrieden über den leichten Sieg, entließ Gerwardsborn seinen Schachpartner schließlich. Lothar trat nach einem gequälten Abschiedsgruß auf den Flur und wollte sich seiner Kammer zuwenden. Da erst am Ende des Ganges eine Lampe mit einer dünnen Kerze brannte, befand er sich noch im Dunkeln, als der Foltermeister Dionys, Bruder Cosmas und zwei weitere Knechte um die Ecke bogen.
»Das war heute ein guter Tag, denn wir haben endlich wieder Ketzer verbrannt!«, erklärte Dionys lachend, während er vor der Kammer stehen blieb, die er mit seinen Kameraden teilte. »Morgen sind dann die Weiber dran. Aber vorher will ich noch die Töchter auf den Rücken legen. Die Alte war ja nicht schlecht, doch jetzt steht mir der Sinn nach jüngerem Fleisch.«
Lothar erstarrte. Der Kerl wollte Frauke und deren Schwester schänden, hatte es bei deren Mutter wohl schon getan!
»Und so jemand behauptet, im Namen Gottes zu handeln!« Der Klang der eigenen Stimme erschreckte ihn, doch zum Glück unterhielten sich die Knechte so laut, dass sie seine Worte nicht vernommen hatten.
Dionys spottete ein wenig über den Mönch, der seiner geistigen Profession wegen auf das Vergnügen verzichten müsse, und erntete einen geringschätzigen Blick. »Begnüge du dich mit gefangenen Ketzerinnen und Huren. Mir stehen ganz andere Pforten offen!«
»Vielleicht die Hinterpforten von Chorknaben, was? Oder glaubt Ihr, wir merken nicht, dass Ihr unsere Lerche öfters des Nachts zu Euch holt?« Dionys versetzte dem Mönch lachend einen Klaps auf den Rücken und wandte sich seinen Kumpanen zu. »Ich werde jetzt erst mal bei den Weibern Wache halten.«
»Sollten das nicht besser zwei Mann tun?«, fragte Bruder Cosmas.
»Warum?«, fragte Dionys spöttisch. »In dieser Stadt traut sich nach dem heutigen Tag keiner mehr, ein Wort zugunsten der Gefangenen zu sagen, geschweige denn, sie zu befreien!«
Über diese Worte lachten alle wie über einen guten Witz. Dionys ließ sich von Rübsam den Schlüssel des Kellergewölbes geben, in dem Inken Hinrichs und ihre Töchter eingesperrt waren, und meinte grinsend, dass er sich als Erstes das ältere Mädchen zu Gemüte führen würde.
»Nur zu, wenn dir danach ist«, brummte Bruder Cosmas und ging auf Gerwardsborns Gemächer zu.
Rasch presste Lothar sich gegen die Wand und wagte nicht einmal zu atmen, bis Bruder Cosmas an ihm vorbeigegangen und in die Räume des Inquisitors eingetreten war.
Erst als sich die Tür hinter dem Mönch schloss, holte Lothar wieder Luft. Seine Gedanken wirbelten wie im Wahnsinn des Veitstanzes. Was hatte der Foltermeister gesagt? Die drei gefangenen Frauen brauchten nicht bewacht zu werden, weil es niemand wagen würde, ihnen zu Hilfe zu kommen? Da sollte der Kerl sich gewaltig täuschen!
Lothar erwog kurz, das Kloster zu verlassen und Draas zu holen. Dann aber sagte er sich, dass er damit zu viel Aufsehen erregen würde. Allerdings musste der Stadtknecht ihm helfen, Frauke, deren Mutter und Schwester aus der Stadt zu schaffen. Was aber sollte er tun, wenn die Klosterpforte verschlossen war? Er konnte schlecht einen der Mönche auffordern, ihn samt den drei Frauen hinauszulassen.
In dem Augenblick fiel ihm ein, was ihm einer der einheimischen Mönche erzählt hatte: Jeder Schlüssel im Kloster würde in sämtliche Schlösser passen. Das bezog sich hoffentlich auch auf die Nebenpforte, die er kürzlich entdeckt hatte. Zwar besaß er selbst keinen Schlüssel, aber Dionys trug einen bei sich. Lothar fragte sich, wie er den wuchtig gebauten Foltermeister überwältigen sollte. Ein offener Kampf war unmöglich. Wenn er etwas erreichen wollte, musste er den Mann aus dem Hinterhalt niederschlagen, und davor schreckte er zurück. Dann aber dachte er an Frauke, die der Foltermeister schänden wollte, und schwor sich, alles zu tun, um sie zu befreien.
Wenn er etwas erreichen wollte, durfte er nicht herumstehen, sondern musste handeln. Rasch eilte er in seine Kammer und atmete erleichtert auf, als er sah, dass sein Vater noch nicht zurückgekehrt war. Lothar schnallte sein Schwert um. Vielleicht konnte er Dionys mit dem Schwertgriff niederschlagen. Nach einem Blick auf die
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