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Flammen des Himmels

Flammen des Himmels

Titel: Flammen des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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nicht mehr die gleiche Freude bereitete wie früher. Zwar fiel ihm das Lernen noch immer leicht, doch er hinterfragte insgeheim den Sinn etlicher Gegebenheiten, die von seinen Professoren als unverrückbar hingestellt wurden.
    Am meisten ärgerte ihn die Kontrolle, welche die katholische Kirche über die Universität ausübte, obwohl diese laut Stiftungsurkunde ihres Gründers frei von Schnüffelei und Bevormundung hätte bleiben sollen. Der neue Dekan war jedoch ein eifriger Sohn der allein seligmachenden Kirche und drang darauf, dass alle Studenten in deren Sinn erzogen wurden. Jeder, der auch nur entfernt ketzerischer Tendenzen verdächtigt wurde, musste sich vor einem Tribunal kirchlicher Würdenträger verantworten und wurde, wenn er nicht überzeugend darlegen konnte, dass er ein getreuer Sohn der römischen Kirche war, ohne Pardon vom weiteren Studium ausgeschlossen.
    Als Sohn eines engen Vertrauten des Fürstbischofs von Münster war Lothar vor solchen Verdächtigungen gefeit. Dafür aber musste er den geistlichen und weltlichen Herren des Lehrkörpers ausführlich und in ihrem Sinne von der Reise berichten, die er im Gefolge des Jacobus von Gerwardsborn unternommen hatte.
    An diesem Tag hatte ihn der Dechant der Pfarrkirche zu sich eingeladen. Lothar verachtete den Mann, der noch nie in seinem Leben eine Messe gehalten hatte, sondern diese Pflicht von Hilfspfarrern erledigen ließ. Den größten Teil des Einkommens aus seiner Pfründe behielt er dennoch für sich, um ein angenehmes Leben führen zu können.
    Das Haus, in dem der Geistliche wohnte, war eines hohen Herrn würdig. Es bestand aus dunkel gebrannten Ziegeln und lag in einem der besseren Viertel der Stadt. Ein großer Garten bot genug Ruhe zur Entspannung, und für das leibliche Wohl sorgten ein ausgezeichneter Koch und mehrere Bedienstete.
    Es war für Lothar eine Ehre, von dem Dechanten eingeladen zu werden. Dennoch hätte er sich lieber einer Klausur durch seinen strengsten Lehrer ausgesetzt, als diesem Mann Rede und Antwort stehen zu müssen.
    Sein Gastgeber empfing ihn in seinem Studierzimmer. Während er es sich auf einem gepolsterten Sessel bequem machte, stand für Lothar ein schlichter Stuhl bereit, und ein weiterer wurde eben von einem Diener hereingetragen.
    Der Dechant bemerkte Lothars fragenden Blick und lächelte. »Es wird gleich noch eine weitere Person erscheinen, deren Interesse am Wirken des hochedlen Inquisitors Jacobus von Gerwardsborn nicht geringer ist als das meine. Trink derweil ein wenig von diesem Wein. Er stammt aus dem Burgund.«
    »Eure Exzellenz sind zu gütig!«
    Lothar senkte den Kopf, damit der andere ihm nicht ins Gesicht sehen konnte. Burgunderwein war teuer und kam von weit her. Gleichzeitig wirkten die beiden Priester, die den Dechanten bei den Messen vertreten mussten, so mager, als würden sie nicht einmal genug zu essen erhalten, und ihre Soutanen waren dünn und mehrfach geflickt. Sein Gastgeber hingegen war in feinsten Samt und beste Seide gekleidet. Dazu steckten an den Fingern seiner Hand mehr als ein Dutzend kostbare Ringe.
    »Seine Exzellenz, der Inquisitor, soll sehr viel von dir halten, habe ich mir sagen lassen«, setzte der Dechant das Gespräch fort.
    »Herr von Gerwardsborn ist zu gütig!«
    Lothar ekelte sich, weil er so verlogenes Zeug von sich geben musste, doch es ging nicht nur um ihn, sondern auch um seine Familie. Wenn er das, was er wirklich dachte, an dieser Stelle sagen würde, war ihm ein Inquisitionsprozess gewiss, und sein Vater würde mit Schimpf und Schande aus den Diensten des Fürstbischofs entlassen. Daher hielt er sich auch im Zaum, als die Tür erneut geöffnet wurde und eine junge Frau hereinkam, die ein Kleid aus kostbaren Stoffen und etliches an Schmuck trug.
    Sie knickste vor dem Dechanten, wechselte dabei einen beredten Blick mit dem Mann und maß seinen Besucher mit einem spöttischen Blick. »Das ist ja ein Mädchen, das sich als Knabe verkleidet hat!«
    Lothar wusste, dass er für sein Alter noch sehr jung aussah und ein fein gezeichnetes Gesicht mit großen Augen und langen Wimpern hatte, dessen sich auch ein Mädchen nicht hätte schämen müssen. Im Umgang mit anderen Studenten bereitete ihm dieser Umstand oft Ärger. Die Worte der Frau aber waren eine offene Beleidigung.
    »Unser Freund Lothar ist der Sohn von Magnus Gardner, eines Beraters meines teuren Freundes Franz von Waldeck, der vor einem guten Jahr zum neuen Herrn des Fürstbistums Münster ernannt worden

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