Flammen des Himmels
ist«, erklärte der Dechant, während er seine Rechte auf ihre Schulter legte und sie streichelte.
Bisher hatte Lothar angenommen, es handle sich um eine Verwandte seines Gastgebers, doch nun begriff er, dass er dessen derzeitige Mätresse vor sich hatte, und verspürte noch stärkeren Abscheu. Die Würdenträger des alten Glaubens beschimpften Luther, weil er den Priestern gestattete, zu heiraten. Selbst aber hielten sie sich Bettmägde und verkehrten mit ihnen ohne den Segen des Himmels.
»Schmeckt dir der Wein?«, fragte der Priester mit sanfter Stimme.
»Ja, sehr, hochwürdigster Herr Dechant«, antwortete Lothar, obwohl er noch nicht einmal an seinem Becher genippt hatte. Dies holte er jetzt nach und stellte das Gefäß schnell wieder hin, denn er musste nüchtern bleiben, wenn er seine Zunge beherrschen wollte.
Nun sprach die junge Frau ihn an. »Du hast gesehen, wie Seine Exzellenz, der Inquisitor, etliche Ketzer zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt hat. Sag, haben diese elenden Hunde arg geschrien? Sie müssen doch große Schmerzen verspürt haben.«
»Sie haben fast gar nicht geschrien, nur gestöhnt«, erklärte Lothar scheinbar gleichmütig. Dabei erinnerte er sich nur allzu gut daran, dass Berthold Mönninck versucht hatte, etwas zu sagen, aber nur Schaum aus seinem Mund getreten war. Viele um ihn herum hatten gemeint, die Angst hätte ihm die Stimme geraubt, aber … Lothar zwang sich erneut zur Besonnenheit, und es gelang ihm sogar ein Lächeln.
»Vielleicht hat der höllische Fürst ihre Lippen versiegelt, damit sie nicht noch im letzten Augenblick die Heilige Jungfrau Maria um Gnade und Erlösung anflehen konnten.«
»Es heißt, Herr von Gerwardsborn lässt auch Frauen verbrennen. Wie sieht das aus? Die tragen doch nur ihr dünnes Büßerhemd, und das ist rasch verbrannt. Winden diese Weiber sich dann nackt im Feuer?«, fragte die junge Frau weiter.
Lothar schoss die Vermutung durch den Kopf, ob er die Einladung vor allem deshalb erhalten hatte, um die Neugier dieser Frau zu stillen. Kurz verglich er sie mit Frauke und fand, dass das Mädchen, selbst wenn es wirklich eine Ketzerin sein sollte, charakterlich weit über der Mätresse des Priesters stand. Das enthob ihn jedoch nicht einer Antwort.
»Ich bedauere, doch ich kann Euch hier keine Auskunft geben. Seine Exzellenz, der Inquisitor, hat zwar mehrere Frauen festnehmen lassen. Doch denen soll der Höllenfürst persönlich zur Freiheit verholfen haben, und das inmitten eines Klosters, das doch vor dem Zugriff des Satans gefeit sein sollte.«
Die letzte Bemerkung war kühn, denn sie besagte, dass es in diesem Kloster wohl doch nicht so fromm zugegangen war, wenn der Teufel dort in eigener Gestalt hatte erscheinen können. Lothar erhielt jedoch keinen Tadel. Stattdessen beugte die Frau sich sensationslüstern zu ihm herüber.
»Der Teufel selbst, sagst du! Hast du ihn gesehen?«
»Beim heiligen Kreuz Christi, nein!«
»Aber jemand muss ihn doch gesehen haben!«
Lothar hätte die Frau für ihre Neugier erwürgen können, zwang sie ihn doch zu lügen, dass sich die Balken bogen. »Der Foltermeister des Inquisitors hat ihn gesehen. Doch den hat der Teufel so aufs Haupt geschlagen, dass die Erinnerung daran wieder geschwunden ist. Er wusste am nächsten Morgen nur, dass der Teufel da gewesen war, aber nicht mehr, wie er aussieht und was er getan hat.«
»Wahrscheinlich hat Luzifer mit seinen Dienerinnen Unzucht getrieben, und das in den Mauern eines ehrwürdigen Klosters. Gott schütze uns vor ihm und seinen höllischen Scharen!« Die Frau schlug mehrmals das Kreuz und schüttelte sich.
Nun ergriff auch der Dechant das Wort. Doch er stellte kaum Fragen, sondern referierte über das Unwesen des Satans, der an allen Orten auftauchen konnte, wenn er nicht sofort mit aller Macht durch Weihwasser und heilige Reliquien vertrieben wurde.
»Ich habe gehört, das Kloster in Stillenbeck habe mehrere der dort aufbewahrten Reliquien verkauft. Dadurch ist es wohl des Schutzes durch die himmlischen Mächte verlustig gegangen«, erklärte er mit Nachdruck. »Obwohl ich Seine Exzellenz, den Inquisitor, sehr schätze, muss ich ihn kritisieren. Er hätte das Kloster sofort bei seinem Einzug mit Weihwasser, Weihrauch und Gebeten reinigen lassen müssen. So trägt er selbst die Schuld, dass ihm die Teufelsweiber entkommen sind.«
Lothar senkte erneut den Kopf, um einen möglicherweise verräterischen Ausdruck zu verbergen. Auch Weihrauch und Gebete
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