Flammen des Himmels
sich auf den Widerrist und stieß dem Tier die Fersen in die Weichen.
Moritz lenkte sein Pferd an Draas’ Seite und streckte ihm die Hand entgegen. »Komm jetzt!«
Das ließ dieser sich nicht zwei Mal sagen. Noch während er sich auf den Gaul schwang, spornte Moritz das Tier an.
Zwei Räuber wollten ihnen den Weg verlegen. Einen fegte Moritz mit einem derben Fußtritt beiseite, dem anderen hieb er das Zügelende ins Gesicht. Der Rest der Bande kam zu spät.
Nach etlichen Galoppsprüngen des Pferdes riss Moritz seinen Hut vom Kopf und stieß einen Jubelruf aus. »Denen haben wir eine lange Nase gedreht, nicht wahr, mein Freund?«
»Eine sehr lange Nase«, antwortete Draas grinsend und klammerte sich wie ein Äffchen an Moritz fest, um nicht von dem blanken Rücken des Pferdes zu rutschen.
Die brennende Herberge leuchtete die Straße weithin aus und half ihnen zu entkommen. Als sie die Gäule schließlich in der Dunkelheit zügeln mussten, lag das Gebäude mehr als eine halbe Meile hinter ihnen, und von den Räubern war nur noch fernes Geschrei zu hören.
Nun atmete Draas auf und klopfte dem vor ihm sitzenden Moritz mit einer Hand auf die Schulter. »Du hast sehr klug gehandelt! Deine Herrin muss dir dankbar sein.«
»Du hättest es ebenso gemacht, denn du hast auch mehr als Grütze im Kopf. Aber deine beiden Freunde, die durch die Hintertür ins Freie gelaufen sind, können diese Entscheidung nicht einmal mehr bedauern.«
»Es waren nicht meine Freunde«, antwortete Draas mit belegter Stimme. »Ich habe die Männer in dieser Nacht das erste Mal getroffen. Trotzdem tut es mir leid, dass es so für sie enden musste.« Er schluckte. »Was werdet ihr jetzt tun?«
»Wir reiten in den nächsten Ort, melden die Untat dem Amtmann und überlassen es diesem und seinen Knechten, die Schurken zu verfolgen. Ich muss mich um meine Herrin kümmern, denn ihr Neffe ist ihr wahrlich keine große Stütze. Gewiss hat sie einen großen Schrecken davongetragen. Außerdem braucht sie einen neuen Wagen, um weiterreisen zu können. Und was machst du?«
Auf Moritz’ Frage hin lachte Draas bitter auf. »Ich werde weiterwandern und zusehen, wo ich Arbeit finde.«
»Wenn du ehrliche Arbeit brauchst, kannst du bei uns bleiben«, bot Moritz an. »Der Gemahl Ihrer Erlaucht, Reichsgraf Eustachius von Brackenstein, besitzt eine Kompanie Söldner. Er hat zwar seinen Neffen Emmerich zu unserem Hauptmann bestimmt, aber bis auf diesen eitlen Fatzke ist unser Fähnlein in Ordnung. Ich bin einer der beiden Unteroffiziere und könnte einen wackeren Kerl wie dich gut gebrauchen.«
Seine Worte stimmten Draas nachdenklich. Zwar hatte er trotz seiner schlimmen Lage bisher nicht daran gedacht, zu den Soldaten zu gehen. Doch mit Moritz als Freund und dem Ruf, mitgeholfen zu haben, die Gräfin vor den Räubern zu retten, hatte er dort einen guten Einstand. Auf jeden Fall war es besser, als wenn er als Landstreicher über die Straßen ziehen müsste.
»Das ist gar kein schlechter Gedanke«, meinte er. »Wenn ihr mich haben wollt, bin ich dabei!«
6.
W ährend Frauke mit ihrer Situation haderte und Draas neue Freunde fand, kehrte Lothar Gardner an die Universitas Studii Coloniensis in Köln zurück. In seinen Gedanken durchlebte er jedoch immer wieder das Grauen, das der Feuertod der angeblichen Ketzer in ihm geweckt hatte, und er zweifelte zunehmend, dass jemand das Recht hatte, andere Menschen auf eine so entsetzliche Weise ums Leben zu bringen. Das Schrecklichste daran war für ihn, dass es Jacobus von Gerwardsborn tatsächlich Freude zu bereiten schien, jene, die er für Ketzer hielt, auf dem Scheiterhaufen sterben zu sehen.
Auch waren seines Erachtens die Männer des Inquisitors ihres Herrn würdig. Magister Rübsam hielt er für eine elende Kröte, die sich am Leid anderer ergötzte, während Bruder Cosmas’ zur Schau getragene Frömmigkeit die Hinterlist des Mönches nicht zu verbergen vermochte. Lothar war sich zudem aufs schmerzlichste bewusst, dass er den Namen des Foltermeisters – Dionys – niemals vergessen durfte. Wenn der Kerl auch nur den leisesten Verdacht schöpfte, wer ihn niedergeschlagen und die gefangenen Frauen befreit hatte, würde er sich bitterlich dafür rächen. Für Lothar hieß dies, sich nicht nur in seine Bücher zu vergraben, sondern auch zu lernen, einen mit einem Dolch oder Schwert bewaffneten Gegner abzuwehren.
Daher gab es viel für ihn zu tun. Dabei merkte er rasch, dass ihm das Studium der Jurisprudenz
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