Flammen des Himmels
Münster zu ziehen. Aber so hastig, wie er den Verkauf vorantrieb, würde er mit Sicherheit nicht den wahren Wert erzielen. Doch das zählte für ihn nicht. Wenn Jesus Christus vom Himmel gestiegen war und das Jüngste Gericht gehalten hatte, würden Gold und Juwelen weniger wert sein als jetzt ein Batzen Butter oder ein Stück Brot. Jeder der Erwählten würde himmlische Kleider erhalten und köstlichste Speisen essen können. So hatte Jan Bockelson es ihnen ausgemalt.
Zwar hätte Frauke sich ein schöneres Gewand gewünscht als den geflickten Kittel, den sie tragen musste, dennoch konnte sie sich nicht vorstellen, dass dieses samt den köstlichsten Speisen und besten Weinen vom Himmel regnen würde. Bockelsons Erzählungen erinnerten sie zu sehr an ein Märchen, das sie als Kind gehört hatte. Darin hatte es ein Land gegeben, in dem die Bäche Wein statt Wasser führten und einem die gebratenen Tauben in den Mund fliegen sollten. Schlaraffenland wurde es genannt. Frauke glaubte nicht, dass es dieses Land wirklich gab, und wenn doch, so wollte sie trotzdem keine Schlaraffenländerin sein. Im Gegensatz zu ihr konnten ihre Mutter, ihre Schwester und ganz besonders Mieke Klüdemann es gar nicht erwarten, in einer Welt zu leben, in der alles, was zu tun war, durch Geisterhand erledigt wurde.
»Sie fangen jetzt schon damit an, nichts mehr zu tun, so als wären wir bereits im Himmelreich«, murmelte Frauke und schaute dann erschrocken zu den Männern hinüber. Hoffentlich hat mich keiner gehört, dachte sie. Doch Klüdemann beantwortete gerade die Frage eines der beiden Kaufinteressenten und kümmerte sich nicht um das Mädchen, das ein paar Schritte entfernt den Hof säuberte.
»Der Dachstuhl ist aus bester Eiche«, erklärte er. »Ebenso die Balken und Stützen des Fachwerks. Ihr kauft ein gutes Haus, wenn ihr es nehmt!« Er konnte jedoch kaum verbergen, dass er das Haus unbedingt loswerden wollte.
Das hatten die beiden Männer längst begriffen und begannen, den Preis zu drücken. Frauke hätte erwartet, dass Klüdemann sie wegschicken und auf einen anderen Kaufinteressenten warten würde. Doch zu ihrer großen Überraschung schlug der Hausherr zu einem Preis ein, der mindestens ein Drittel unter dem Wert lag. Die Käufer zwinkerten einander zu und waren offensichtlich überzeugt, nie ein besseres Geschäft gemacht zu haben.
Da war Klüdemann anderer Ansicht. In weniger als einem Jahr ist alles eitler Tand, dachte er, und den Käufern würde angesichts des Jüngsten Gerichts die Freude an diesem Haus vergehen. Er hingegen konnte sich mit der Kaufsumme in Münster ansiedeln und Jesus Christus willkommen heißen.
»Damit ist es beschlossen. Mein Weib und ich werden die Stadt in drei Tagen verlassen. Dann ist das Haus euer.« Klüdemann nickte den Käufern zu und ging ins Haus, um seiner Frau die frohe Botschaft zu verkünden.
Frauke beobachtete, wie die beiden Männer die Nebengebäude begutachteten und sich dabei ungeniert darüber unterhielten, wie sie Klüdemann über den Tisch gezogen hatten.
»Ich sage dir, der hat Schulden und will sich aus dem Staub machen, weil er die nicht begleichen kann«, erklärte der eine.
»Dann sollten wir zusehen, dass dieses Haus so schnell wie möglich auf uns überschrieben wird. Nicht dass ein Gläubiger es als Pfand für eine Schuld fordert«, antwortete sein Begleiter.
»Das werden wir!« Erst jetzt entdeckten die beiden Frauke, die dem Hof mit dem Reisigbesen zu Leibe rückte, und traten auf sie zu.
»Du bist Klüdemanns Magd?«
»So könnte man es nennen.«
»Ich sehe, du bist fleißig. Wenn du willst, kannst du hierbleiben. Wir bezahlen dir dasselbe, was Klüdemann dir bezahlt hat, und legen pro Woche noch einen Stüver drauf«, bot der Ältere der beiden an.
Frauke nahm an, dass es sich bei den Männern um Vater und Sohn handelte. Sie wirkten nicht unsympathisch, und für einen Moment kam sie in Versuchung, das Angebot anzunehmen, denn in Münster würde sie auch nur eine Magd sein. Dann aber dachte sie an ihre Mutter und Silke. Nachdem Haug tot und der Vater und Helm verschollen waren, durfte sie die beiden nicht im Stich lassen.
Daher schüttelte sie den Kopf. »Ich werde mit Herrn Klüdemann und dessen Frau gehen.«
»Schade!«, sagte der Ältere, der das junge, zupackende Mädchen gerne behalten hätte.
Dann wandte er sich an seinen Sohn. »Komm jetzt! Wir gehen zum Stadtschreiber und lassen den Vertrag ausfertigen. Morgen legen wir die Urkunde Klüdemann
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